Buchkritik zu »Science & Fiction II«
"Erlauben Sie mir, Madame, Ihnen zu sagen, dass Sie von den Bewohnern der Venus noch keinen klaren Begriff haben." Madame hatte im Jahr 1686 vermutet, diese glichen den Mauren von Granada, sonnenverbrannt, voll von Geist und Feuer und stets verliebt. In seinen "Entretiens sur la pluralité des mondes" belehrt der französische Literat Bernard le Bovier de Fontenelle seine Gesprächspartnerin, dass die Venusianer angesichts der Hitze auf ihrem Planeten die maurischen Eigenschaften noch in weit höherem Maße verkörpern: "Unsere Mauren wären dort nur Lappländer und Grönländer – der Kälte und des Stumpfsinns wegen."
Gibt es die Außerirdischen, und wenn ja, wie sehen sie aus? Zu letzterer Frage warteten bereits Autoren des 17. Jahrhunderts mit allerhand erstaunlichen Details auf. Das zeigt die vorliegende Aufsatzsammlung, die einen Bogen von der frühen Neuzeit bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts spannt. Theologen und Philosophen, Physiker, Biologen und – last not least – auch Wissenschaftsredakteure haben dazu beigetragen.
Aliens – genauer: die verbreiteten Vorstellungen von ihnen – sind immer auch Kinder ihrer jeweiligen Epoche. Das wird an dem schwedischen Naturwissenschaftler Emanuel Swedenborg (1688 – 1772) deutlich, der hier vom Paderborner Religionswissenschaftler Bernhard Lang vorgestellt wird. Unübersehbar mischt sich in Swedenborgs Wahrnehmung das damals neue Wissen über "primitive" Kulturen: Ihm zufolge wohnen Bewohner fremder Planeten in länglichen Hütten, aus Lehm gebaut und mit Rasen belegt.
Kein Zufall darum, dass die uns vertrautere Idee von hochtechnisierten kosmischen Zivilisationen erst im Zuge unseres eigenen technologischen Fortschritts aufkam. Ihre Ursprünge führt der Leipziger Literaturprofessor Elmar Schenkel unter anderem auf H. G. Wells' "The War of the Worlds" von 1897 zurück.
Schade, dass Thomas P. Webers "außerirdischer" Band so irdische Schwächen hat. Das gemeinsame Thema und die chronologische Sortierung halten die qualitativ uneinheitlichen Texte nur mit Mühe beisammen. Swedenborgs Visionen, die dieser in Trance gewonnen haben will, stehen neben einem kaum über das Deskriptive hinausgehenden Beitrag zu Steven Spielbergs Filmwesen "E. T." und Ridley Scotts "Alien". Der literaturwissenschaftlich angelegte Aufsatz "Science Fiction im Barock" steht unverbunden neben Ausführungen zur bevorstehenden Entwicklung einer "universellen Biologie".
Gleichwohl hat "Science & Fiction II" viel zu bieten. Wie beantwortete etwa das 16. Jahrhundert die Frage, ob die Vielzahl der Welten bewohnt ist? Wie Patricia Fara, Fellow des Clare College im britischen Cambridge, in "Vervielfältigtes Leben" schreibt, galt nicht wenigen Theologen als eitler Hochmut, zu glauben, dass Gott das Universum allein darum geschaffen habe, damit der Mensch seinen Platz darin finde. Besonders aufschlussreich entfaltet sich die Debatte in Laura J. Snyders "William Whewell und die Vielzahl der Welten". Detailliert vollzieht sie nach, wie ein Verfechter der Hypothese belebter fremder Welten sich zu deren entschiedenem Gegner entwickelte.
Und was glaubt die Gegenwart über das Thema zu wissen? Während viele Naturwissenschaftler nach belastbaren Fakten suchen, gehen manche ihrer Kollegen eher abseitige Wege. Ulf von Rauchhaupt, Redakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", stellt das Projekt Seti (search for extraterrestrial intelligence) vor, das mit Hilfe von Radiowellen nach außerirdischer Intelligenz fahndet (Spektrum der Wissenschaft 1/2002, S. 109). Immer noch der wissenschaftlichen Methode verpflichtet, wolle es – zunehmend von US-Computermilliardären und New-Age-Vertretern beeinflusst – mittlerweile auch weltanschauliche Orientierung bieten: Kontaktaufnahme wird zum Etappenziel auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, erreichbar durch die Kommunikation mit spirituell fortgeschritteneren Zivilisationen.
Im Schlusskapitel bricht auch noch die "Diegesis der Mathesis in der Science Fiction der Jahrtausendwende" über den Leser herein – ein furioser, von FAZ-Redakteur Dietmar Dath mit Witz geschriebener Ritt durch das Gelände der analytischen Philosophie. Können wir mit völlig andersartigen Wesen überhaupt kommunizieren? Müssen sie möglicherweise mit einem anderen Periodensystem der Elemente leben? Dass solche Fragen ebenso beiläufig aufgeworfen wie beantwortet werden, tut dem Vergnügen keinen Abbruch – eher schon, dass der Leser noch einmal auf die Schnelle mit völlig neuen Gedanken konfrontiert wird, um dann unvermutet ins Literaturverzeichnis entlassen zu werden.
Darum soll wenigstens dieser Beitrag nicht mit einem neuen, sondern einem schon ziemlich alten Gedanken schließen. Der französische Astronom Jerôme Lalande schrieb 1771 kurz und prägnant: Man würde "beim Anblick einer Schafherde in der Ferne nie die Schlussfolgerung ziehen, einige Schafe hätten statt Eingeweide Steine in ihrem Inneren. Ebenso müssen die Planeten bewohnt sein, da sie der Erde so ähnlich sind".
Gibt es die Außerirdischen, und wenn ja, wie sehen sie aus? Zu letzterer Frage warteten bereits Autoren des 17. Jahrhunderts mit allerhand erstaunlichen Details auf. Das zeigt die vorliegende Aufsatzsammlung, die einen Bogen von der frühen Neuzeit bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts spannt. Theologen und Philosophen, Physiker, Biologen und – last not least – auch Wissenschaftsredakteure haben dazu beigetragen.
Aliens – genauer: die verbreiteten Vorstellungen von ihnen – sind immer auch Kinder ihrer jeweiligen Epoche. Das wird an dem schwedischen Naturwissenschaftler Emanuel Swedenborg (1688 – 1772) deutlich, der hier vom Paderborner Religionswissenschaftler Bernhard Lang vorgestellt wird. Unübersehbar mischt sich in Swedenborgs Wahrnehmung das damals neue Wissen über "primitive" Kulturen: Ihm zufolge wohnen Bewohner fremder Planeten in länglichen Hütten, aus Lehm gebaut und mit Rasen belegt.
Kein Zufall darum, dass die uns vertrautere Idee von hochtechnisierten kosmischen Zivilisationen erst im Zuge unseres eigenen technologischen Fortschritts aufkam. Ihre Ursprünge führt der Leipziger Literaturprofessor Elmar Schenkel unter anderem auf H. G. Wells' "The War of the Worlds" von 1897 zurück.
Schade, dass Thomas P. Webers "außerirdischer" Band so irdische Schwächen hat. Das gemeinsame Thema und die chronologische Sortierung halten die qualitativ uneinheitlichen Texte nur mit Mühe beisammen. Swedenborgs Visionen, die dieser in Trance gewonnen haben will, stehen neben einem kaum über das Deskriptive hinausgehenden Beitrag zu Steven Spielbergs Filmwesen "E. T." und Ridley Scotts "Alien". Der literaturwissenschaftlich angelegte Aufsatz "Science Fiction im Barock" steht unverbunden neben Ausführungen zur bevorstehenden Entwicklung einer "universellen Biologie".
Gleichwohl hat "Science & Fiction II" viel zu bieten. Wie beantwortete etwa das 16. Jahrhundert die Frage, ob die Vielzahl der Welten bewohnt ist? Wie Patricia Fara, Fellow des Clare College im britischen Cambridge, in "Vervielfältigtes Leben" schreibt, galt nicht wenigen Theologen als eitler Hochmut, zu glauben, dass Gott das Universum allein darum geschaffen habe, damit der Mensch seinen Platz darin finde. Besonders aufschlussreich entfaltet sich die Debatte in Laura J. Snyders "William Whewell und die Vielzahl der Welten". Detailliert vollzieht sie nach, wie ein Verfechter der Hypothese belebter fremder Welten sich zu deren entschiedenem Gegner entwickelte.
Und was glaubt die Gegenwart über das Thema zu wissen? Während viele Naturwissenschaftler nach belastbaren Fakten suchen, gehen manche ihrer Kollegen eher abseitige Wege. Ulf von Rauchhaupt, Redakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", stellt das Projekt Seti (search for extraterrestrial intelligence) vor, das mit Hilfe von Radiowellen nach außerirdischer Intelligenz fahndet (Spektrum der Wissenschaft 1/2002, S. 109). Immer noch der wissenschaftlichen Methode verpflichtet, wolle es – zunehmend von US-Computermilliardären und New-Age-Vertretern beeinflusst – mittlerweile auch weltanschauliche Orientierung bieten: Kontaktaufnahme wird zum Etappenziel auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, erreichbar durch die Kommunikation mit spirituell fortgeschritteneren Zivilisationen.
Im Schlusskapitel bricht auch noch die "Diegesis der Mathesis in der Science Fiction der Jahrtausendwende" über den Leser herein – ein furioser, von FAZ-Redakteur Dietmar Dath mit Witz geschriebener Ritt durch das Gelände der analytischen Philosophie. Können wir mit völlig andersartigen Wesen überhaupt kommunizieren? Müssen sie möglicherweise mit einem anderen Periodensystem der Elemente leben? Dass solche Fragen ebenso beiläufig aufgeworfen wie beantwortet werden, tut dem Vergnügen keinen Abbruch – eher schon, dass der Leser noch einmal auf die Schnelle mit völlig neuen Gedanken konfrontiert wird, um dann unvermutet ins Literaturverzeichnis entlassen zu werden.
Darum soll wenigstens dieser Beitrag nicht mit einem neuen, sondern einem schon ziemlich alten Gedanken schließen. Der französische Astronom Jerôme Lalande schrieb 1771 kurz und prägnant: Man würde "beim Anblick einer Schafherde in der Ferne nie die Schlussfolgerung ziehen, einige Schafe hätten statt Eingeweide Steine in ihrem Inneren. Ebenso müssen die Planeten bewohnt sein, da sie der Erde so ähnlich sind".
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