Das Schweigen überwinden
Manchmal kann Selina reden wie ein Wasserfall. Doch fremden Menschen gegenüber bringt sie nicht einmal ein Danke über die Lippen. Und auch, um ein Autogramm ihres Lieblingsautors zu ergattern, muss ihre kleine Schwester Nellie für sie sprechen.
Das Kinderbuch erzählt in einfachen und zugleich einfühlsamen Worten, wie es Kindern mit selektivem Mutismus im Alltag ergeht: Dass Selina vor Angst und Scham ganz steif wird und stumm vor sich hinstarrt, als seien die Leute Luft für sie. Aber auch auf welches Unverständnis Selinas Schweigen und Nellies Übersetzungsarbeit tagtäglich stoßen (»Frag doch selbst, wenn du was willst« oder »Wer flüstert, lügt«).
Um die psychische Störung des Kindesalters verstehbar zu machen, braucht es weder viele Worte noch aufwändige Zeichnungen. Gleichzeitig macht die Geschichte Mut: Das Schweigen lässt sich Stück für Stück überwinden.
Schade ist allerdings, dass die Autorinnen auf Hintergrundinformationen über die Erkrankung verzichtet haben. So weiß man am Ende zwar, dass Selina geholfen werden konnte, aber die Störung und ihre Behandlung bleiben dennoch rätselhaft. Ein kurzer Serviceteil für Eltern und Pädagogen, der die wichtigsten Merkmale, mögliche Ursachen, die am meisten erfolgversprechenden Behandlungsansätze sowie Beratungsstellen und -hotlines auflistet, wäre gerade bei dieser eher unbekannten Erkrankung von Nutzen gewesen. Dabei gibt es solche weiterführenden Informationen sogar, sie verstecken sich allerdings hinter einem Download-Link, den das sonst empfehlenswerte Buch nur auf dem Einband führt.
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