Im Besitz anderer
Folgt man den Ausführungen des Historikers Michael Zeuske, fragt man sich irgendwann unweigerlich, ob es jemals ohne Sklaverei ging, geht oder gehen wird. Denn Zeuskes Buch macht deutlich, dass Unfreie maßgeblich und fast durchweg zur Menschheitsgeschichte beigetragen haben. Sie bauten Monumente, stellten Heere, bewirtschafteten Äcker und Plantagen, erledigten Haushaltsarbeiten, dienten als Lustobjekte oder wurden als Opfergaben missbraucht. Zum großen Teil handelte es sich um Frauen und Kinder.
Die Kernaussage des Autors lautet, dass Gesellschaften in jeder Epoche Sklaverei praktizierten, ob die Unfreien nun Knechte, Abhängige oder Leibeigene genannt wurden. Die gesellschaftlichen Einbindungen der Sklaven sowie ihr rechtlicher Status waren oft sehr komplex und änderten sich über die Zeiten hinweg stark, obgleich eine Gemeinsamkeit blieb: die Tatsache, nicht über den eigenen Körper und seine Arbeitskraft verfügen zu können.
Kaum Primärquellen
Zeuske versucht, das Thema aufzuarbeiten, indem er zum einen die Definition der Sklaverei erweitert und indem er zum anderen weltgeschichtliche Epochen herausarbeitet, in denen Sklaverei mit ähnlichen wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Merkmalen betrieben wurde. Diese Epochen nennt er »Plateaus«. Im Widerspruch zum Buchtitel sind Vor- und Frühgeschichte in dem Werk unterrepräsentiert; erst beginnend mit der Schriftkultur der späten Antike geht der Historiker Zeuske intensiv auf sein Thema ein. Doch auch die historischen Darstellungen haben einen großen blinden Fleck: Es fällt das weitgehende Fehlen von Primärquellen auf, also von persönlichen Schilderungen seitens der Versklavten, Sklavenjäger und Menschenhändler, dies scheint aber in der Natur der Sache zu liegen. Viel wurde von Dritten über den Menschenhandel geschrieben, wenig jedoch von den direkt Beteiligten.
Trotz der Brutalitäten und Grausamkeiten des Themas ist das Buch sachlich und neutral geschrieben, ohne zu verklären oder zu verharmlosen. Zeuske gelingt es, die weltweiten Auswirkungen der Sklaverei, ihre Einflüsse auf die Arbeitskultur und ihre soziopolitische Reflexion zu verdeutlichen. Er zeigt dies etwa anhand der Wechselwirkungen zwischen Bürgertum und Plantagenwirtschaft in Amerika oder anhand der Kontraktarbeiter im Imperialismus.
Das Werk regt ungemein zum Nachdenken und Reflektieren an – etwa über unfreie Frauen und Kinder, über modernen Menschenhandel oder generell über eine Arbeitskultur der Abhängigkeit. Detailliert beleuchtet Zeuske, welche Bedeutung den verschiedenen, auch weniger bekannten Akteuren im weltweiten Menschenhandel zukam, beispielsweise der Handelsmacht Venedig. Er befasst sich mit der bislang kaum beachteten Rolle von Unfreien im historisch China und schreibt aufschlussreich über die enge wirtschaftlich-soziale Verflechtung zwischen Sklaven, Sklavenjägern, Menschenhändlern und deren Kunden – Wechselbeziehungen, die über Jahrhunderte existierten und das Weltgeschehen bis heute beeinflussen. Leider neigt der Autor verschiedentlich zu Wiederholungen; auch erscheint sein Werk stellenweise mit Daten überfrachtet, besonders im Abschnitt über den atlantischen Sklavenhandel. Der Fokus seines Werks liegt durchgehend auf historischen Prozessen und lässt hier und da einen Exkurs in Literatur, Kunst oder Philosophie vermissen.
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