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»Spiralen, Schraubenlinien und spiralartige Figuren«: Die faszinierende Welt der Spiralen

Ein Buch, das man Liebhabern schöner Mathematik nur wärmstens empfehlen kann. Eine Rezension
Aloe polyphylla

Hans Walser, ehemaliger Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter an der ETH Zürich, der Universität Basel und der Pädagogischen Hochschule Basel, hat aus der Vielfalt seiner Materialien ein 155-seitiges Taschenbuch über Spiralen, Schraubenlinien und spiralartige Figuren zusammengestellt. Wer Walser einmal im Vortrag erlebt hat, wird sich vermutlich vor allem daran erinnern, dass man von der Dichte der vorgetragenen Gedanken und der Fülle der präsentierten bunten Bilder nahezu »erschlagen« wird: Zweifelsohne regt das Vorgetragene zum Nachdenken an. Dazu kommt man während des Vortrags allerdings nur selten, weil bereits die nächste Grafik oder die nächste Bildersequenz folgt.

Das Thema Spiralen neu aufgreifen

Nach dem – insbesondere für die Umsetzung des Themas im Unterricht oder in der Lehrerbildung – sehr hilfreichen Buch »Spiralen« von Johanna Heitzer aus dem Jahr 1998, das leider längst vergriffen ist, war es an der Zeit, das Thema neu aufzubereiten. Insofern kann man nur hoffen, dass viele Studierende der Mathematik, begabte Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und mathematisch Interessierte dieses inspirierende Buch erwerben und durcharbeiten. Denn Durchblättern genügt nicht, auch wenn die Bilder und Bilderfolgen eine Augenweide sind.

Das Werk gliedert sich in zehn Kapitel, die – nach einer Einführung im ersten Kapitel – nahezu unabhängig voneinander lesbar sind. Es geht zunächst um die logarithmische und um die arithmetische Spirale, dann um Schrauben, um eckige (logarithmische und arithmetische) Spiralen, um goldene und um sphärische Spiralen (mit einem Exkurs über geografische Karten). Zwei Kapitel beschäftigen sich mit Klothoiden beziehungsweise mit Wellenlinien. Auch geht Walser auf optische Täuschungen bei spiralartigen Figuren ein.

Das Buch lebt von den mehr als 250 farbigen Grafiken, durch die Walser die dargestellten Sachverhalte verdeutlicht, darunter auch eindrucksvolle Farbfotos von Spiralen in der Natur oder in der Architektur. Die Anordnung der Grafiken leidet allerdings etwas unter der starren Layout-Regelung des Verlags, nach der Grafiken grundsätzlich nur unten oder oben auf einer Seite stehen können. Dadurch muss man beim Lesen stets genauestens auf die Nummerierung der Abbildungen achten und häufiger umblättern.

Das Zusatzmaterial zum Buch enthält 28 Weblinks zu faszinierenden, doch technisch nicht ganz ausgereiften Animationen: Videos von sich bewegenden Figuren oder sich entwickelnden Strukturen. Leider funktionieren zwei Links nicht, aber man findet die Videos auch unter den Miniaturen auf der Website von Walser (die Animationen sind dort von deutlich besserer Qualität).

Walser ist ein Meister der Variation, wie er auch in diesem Buch unter Beweis stellt. Auf seiner Website findet man Hunderte von so genannten »Miniaturen« (wie er sie bescheiden nennt), darunter zahlreiche zum Thema Spiralen. Nicht alle Beiträge konnte er in sein Buch aufnehmen, beispielsweise fehlen Ausführungen zu n-Eck-Spiralen und deren Längen. Aber vielleicht kann das in der zweiten Auflage ergänzt werden.

Der Autor hat das gewählte Thema des Buchs insgesamt brillant aufbereitet – bescheiden bezeichnet er seine Ausführungen als »mathematische Spielereien«. Die Texte sind oft knapp gefasst, das heißt, die Eigenschaften von Figuren werden häufig nur mitgeteilt und zwingen somit wissbegierige Leser zum eigenen Recherchieren und Nachdenken. Im Oberstufenunterricht erworbene Kenntnisse werden dabei zum Verständnis des Textes und der Rechnungen nicht immer ausreichen; so setzt Walser etwa Begriffe wie Drehstrecksymmetrie oder Parabel-Brennpunkt voraus; mit geometrischen Reihen sollte man ebenfalls umgehen können. Es kommen auch Rechnungen mit Differenzialen sowie Längen- und Volumenberechnungen mit Integralen vor; zudem sollte man keine Angst vor komplexen Zahlen haben.

Selbst wenn mir viele der walserschen Miniaturen bekannt waren, habe ich bei der Lektüre wunderbare neue Einsichten gewinnen können. Dazu gehören unter anderem:

  • die Visualisierung der gleichtemperierten Zwölftonstimmung durch Orgelpfeifen, die in eine logarithmische Spirale montiert sind,
  • die platt gedrückte Toiletten-Papierrolle zur Herleitung der Kreisinhaltsformel,
  • dynamische Pythagoras-Spiralen (Abwicklung der Kathetenspiralen),
  • die Fibonacci-Spirale (nach einer Idee von Eugen Jost).

Kurz gesagt: Wer sich gerne mit schöner Mathematik beschäftigt, sollte dieses Buch unbedingt lesen!

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