Gehupft oder gesprungen
Natürlich bietet es sich zum 50. Jubiläumsjahr der ersten bemannten Mondlandung an, alle möglichen Bücher über den Erdtrabanten und seine menschlichen Besucher zu veröffentlichen. Der erste Mondspaziergang von Neil Armstrong und Buzz Aldrin erfährt im Jahr 2019 eine ausgiebige publizistische Würdigung, und so gesehen scheint es logisch, dass nun auch ein Selbsthilfebuch zu diesem Thema erschienen ist: »Sprung auf den Mond« vom britischen Psychologen Richard Wiseman. Der Klappentext verspricht, dass man mit den im Buch dargelegten »Apollo-Prinzipien« Unerreichbares schaffen könne.
Wiseman hat zunächst interessiert, wie es die damaligen NASA-Mitarbeiter innerhalb von acht Jahren – angefangen von Kennedys berühmter Rede am 25. Mai 1961 bis hin zu »The eagle has landed« am 21. Juli 1969 – geschafft haben, zwei Menschen auf den Erdtrabanten zu hieven. Berufsbedingt kümmert er sich dabei weniger um die ingenieurtechnischen Meisterleistungen, sondern mehr um die Psychologie und das Innenleben der NASA-Pioniere. Denn irgendetwas musste an ihnen schließlich besonders sein. Der Autor hat mit zahlreichen Beteiligten gesprochen, um ihre Sicht auf die Dinge zu erfahren.
Zu jung, um zu wissen, dass die Sache scheitern muss
Nun ist bekannt, dass gerade die Apollo-Astronauten ein wahres Feuerwerk an Tests über sich ergehen lassen mussten. Auch in psychologischer Hinsicht wurde dabei sorgsam ausgesiebt. Wiseman befasst sich aber zudem mit den Mitarbeitern im Kontrollzentrum, die ihm zufolge oft aus bescheidenen Verhältnissen stammten, über Biss und einen starken Willen verfügten und glücklicherweise zu jung waren, um zu wissen, dass ihr Vorhaben eigentlich scheitern musste. Der Autor schreibt über runde Dinge, die ins Eckige müssen, über abgebrochene Schalter, mentales Yoga, die Apollo-1-Kapsel und darüber, wie sich aus Fehlern lernen lässt. Außerdem identifiziert er die »Apollo-Prinzipien«, die unter anderem lauten: Leidenschaft, Mut, Selbstvertrauen, Flexibilität. Denn nur »mit dem kreativen Einsatz eines Filzstifts brachte Buzz Aldrin das Mondmodul wieder zur Erde zurück«.
Aber dann nimmt Wiseman die von ihm gefundenen Prinzipien und wendet sie auf die Leser an. Seine Stoßrichtung dabei: Wie kann man das gewisse Etwas an sich selbst entdecken und zur Geltung bringen? Wer Rätsel mag und die Psychotests in Jugendzeitschriften toll fand, wird begeistert sein. Er wird erfahren, was man tun muss, um seinen ganz persönlichen »Mond« – sei es ein Jobwechsel, eine neue Beziehung oder dergleichen mehr – zu erreichen.
Das Buch ist eine Anleitung zur Selbstoptimierung, daher darf man keine tief schürfenden Einsichten in die Geschichte der Mondlandung erhoffen. Was aber auch nichts macht, denn schließlich wurde die Mondlandung auf Grund des Jubiläums in diesem Jahr hinreichend an anderer Stelle seziert. Auch in psychologischer Hinsicht bleibt das Buch eher dünn, da es sehr auf jene Anwendungen fokussiert, mit denen Unternehmen noch das letzte bisschen Mehr an Produktivität aus ihren Mitarbeitern herauskitzeln.
Was komplett unberücksichtigt bleibt, ist die Tatsache, dass die Mondlandung in extremer Weise eine Teamleistung war: In dem Buch geht es nur um das Ich und das Selbst. Außerdem wurden die damaligen Astronauten und Mitarbeiter ja gezielt danach ausgesucht, dass sie die an sie gestellten Anforderungen erfüllen konnten. Wer sagt, dass jemand mit einem anderen psychologischen Profil sich in vergleichbarer Weise »optimieren« kann, um derartigen Ansprüchen gerecht zu werden?
Und als letzter Punkt: Was gilt überhaupt als unerreichbar in unserem Alltag? Denn da geht es eben nicht um eine Mondlandung, sondern eher um die pünktliche Abgabe der Steuererklärung oder die gelungene Präsentation mit anschließendem höflichem Applaus und Kaffeepause. Während die NASA-Leute mit Feuereifer an einem Jahrhundertereignis mitwirkten, dümpeln Leser wie wir eher durch den Alltag und müssen uns zur Selbstoptimierung motivieren, indem wir ein derartiges Buch lesen.
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