Rückblick auf einen Ausnahmephysiker
Stephen Hawking (1942-2018) war ein Star und zu Lebzeiten der wohl berühmteste Physiker der Welt. Sein Kultstatus gründete auf einem Dreiklang: Hawking arbeitete über fundamentale Fragen zur Struktur des Kosmos; er trotzte in unglaublicher Weise seiner ALS-Erkrankung; und er verstand es, seine Themen öffentlichkeitswirksam und humorvoll einem breiten Publikum zu vermitteln. Ein Jahr nach seinem Tod legt der britische Wissenschaftsjournalist Joel Levy eine Biografie vor, die dem Ausnahmephysiker vermutlich gefallen hätte: mit kurz gehaltenen Texten und bunt bebildert.
Stephen Hawking wurde am 8. Januar 1942 in Oxford geboren, wohin die Familie aus London wegen des Krieges geflüchtet war. Früh fiel seine Intelligenz auf, doch ebenso eine gewisse Faulheit. Während der drei Jahre Studium in Oxford habe er nur etwa eine Stunde täglich gearbeitet, rechnete Hawking später einmal nach. Seine Noten waren aber gerade gut genug, um für die Doktorarbeit nach Cambridge zu gehen.
Dort promovierte er bei Dennis Sciama (1926-1999), einem Widersacher des berühmten Astrophysikers Fred Hoyle (1915-2001). Hoyle hatte im Rahmen seiner »Steady-State-Theorie« ein Schlupfloch der Urknalltheorie ausgenutzt, um ein ewiges statisches Universum zu postulieren, was Sciama heftig kritisierte. Hawking gelang es als Doktorand, einen Fehler in einer Abhandlung Hoyles aufzuspüren und mathematisch zu beweisen, dass im Urknall eine Singularität unvermeidlich ist. Sein wissenschaftlicher Aufstieg war damit vorgezeichnet.
Verdampfende Schwarze Löcher
In den folgenden Jahren beschäftigte sich Hawking mit Schwarzen Löchern. Bei Untersuchungen zu deren Thermodynamik, Entropie und dem Informationsverlust am Ereignishorizont gelang ihm schließlich seine wohl bedeutendste Entdeckung: Schwarze Löcher sind auf Grund von Quanteneffekten nicht absolut schwarz, sondern strahlen sehr schwach und verlieren somit an Masse. Die Strahlung trägt deshalb Hawkings Namen. Sie experimentell nachzuweisen, ist allerdings extrem schwierig und bis heute nicht geglückt – ein wichtiger Grund, warum Hawking der Nobelpreis verwehrt blieb.
1988 erschien nach jahrelanger Arbeit Hawkings bekanntestes Buch »Eine kurze Geschichte der Zeit«. Es wurde ein Bestseller und machte Hawking weltberühmt. Mit charmantem Humor und ohne Mathematik schaffte der Physiker es, die moderne Kosmologie einem Millionenpublikum schmackhaft zu machen. Spätestens jetzt war er zur Person des öffentlichen Lebens geworden; seine Auftritte und Aussagen verfolgte sogar die Boulevardpresse.
Hawkings Name bietet eine ziemlich sichere Grundlage für stabile Verkaufszahlen, und so fiel dem Verlag die Entscheidung vermutlich leicht, diese Biografie über ihn publizieren. Die Aufmachung des Werks zielt auf weite Verbreitung. Die Seitengestaltung erinnert denn auch eher an eine Zeitschrift als an ein Buch: große Farbfotos, abgesetzte Kästen zu einzelnen Themen, wenig Text und natürlich keine Formeln. Man kann getrost schmökern und blättern – ein Ansatz, der aufgeht. Das Buch vermittelt einen guten und recht umfassenden Blick auf Hawking, sein Privatleben und seine wissenschaftliche Arbeit.
In einem wichtigen Punkt wird das Buch seinem Versprechen jedoch nicht gerecht: Die Versuche des Autors, Hawkings Lebenswerk inhaltlich zu erklären, bleiben weit hinter Hawkings eigenem Können zurück. Vielleicht ist der Vergleich unfair – aber die Lektüre hinterlässt oft das Gefühl des nicht ganz Schlüssigen. Das ist schade, da ja gerade die populärwissenschaftliche Vermittlung ein herausragendes Vermächtnis Hawkings ist.
Einen anderen Fehler, den man angesichts der bunten Gestaltung befürchten könnte, macht das Buch jedoch nicht: Hawking wird nicht glorifiziert. »Er mag nicht der größte Kosmologe seit Einstein sein oder der ersten Liga der modernen Physiker angehören …«, schreibt Levy bereits in der Einführung kritisch. Diese wohltuende Distanz behält er bei.
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