Direkt zum Inhalt

Aufruf zum Zoff

Die Journalistin Meredith Haaf teilt pauschal gegen Rechte, Feministinnen, Hipster und Linke aus, spart aber mit Lösungsansätzen für eine bessere Streitkultur.

Stellen Sie sich vor, Sie kommen abends zufrieden nach Hause und berichten Ihrer Familie freudestrahlend: »Wahnsinn, ich hatte heute so einen großartigen Streit auf der Arbeit, das hat sich richtig gelohnt.« Mit dieser fiktiven Szene beginnt die Journalistin Meredith Haaf ihr Buch. Sie hat eine Vision des »schönen Streitens«. Ein Leben, in dem das Zoffen so normal und entspannt ist wie essen, plaudern, putzen oder Sex haben. Denn Streit soll ihrer Meinung nach kein Schreckgespenst sein, kein Kampf, vor dem wir Angst haben. Überhaupt, findet die Autorin, wäre es am besten, wir würden dauernd streiten.

Doch wer jetzt ein Buch erwartet, das den Weg dahin zeigt, wird enttäuscht. Überwiegend erläutert die Autorin, was und wer in der heutigen Welt konstruktives Streiten verhindere. Für das schlechte Streitklima macht sie ganze Gruppen verantwortlich: Talkshows, Rechte, Feministinnen, Hipster, Linke und noch so einige mehr.

Immer zerstrittener und immer weniger streitfähig

Eine verletzende Sprache verhindere eine gute Streitkultur, wie Haaf im Kapitel »Die Aggro-Gesellschaft« anführt. Als Beispiel nennt sie die AfD, die einen aggressiven Sprachstil etabliert habe. Doch »selbstverständlich« würden auch linke und linksliberale Kräfte eine dem guten Streiten abträgliche Sprachpolitik betreiben. Sowohl »lautstarke Rechte« als auch die »gesamte feministische Gemeinde« würden den Staat immer weniger streitfähig, aber zerstrittener machen. Mit den Rechten sei eine Präsenz des Bösen in die Politik eingezogen, Feministinnen führten ihre Debatten mit absurder Härte und neigten dazu, alles, was nicht der eigenen Meinung entspricht, als »Bullshit« zu betrachten. Immer wieder ärgert man sich beim Lesen über die verallgemeinerten Aussagen der Journalistin, selbst wenn man sich nicht zu den bezichtigten Gruppen zählt.

Auch Talkshows bescheinigt Haaf mehrmals ein destruktives, polarisierendes Potenzial. Solche Gesprächsrunden mutieren für sie zu einem Gladiatorenspektakel. So führt sie später im Buch dazu an: Wenn »eine muslimische Frau mit einer AfD-Politikerin darüber streiten soll, ob die Öffentlichkeit zu tolerant gegenüber dem Islam sei«, dann gäbe es da nichts zu lösen. Und das sei ja eine Prämisse des guten Streitens. Es entstehe kein Wettstreit, sondern ein Kampf.

Wer aus dem Kapitel »Wie wir besser streiten« lernen will, muss sich erst einmal durch Haafs Ansichten durchkämpfen. Über Meinungen zu streiten, sei »läppisch« für jene, die sich um einen Schlafplatz sorgen müssen, und eher ein gesellschaftlicher Zeitvertreib. Kaum eine Seite weiter sieht die Autorin es allerdings als wichtig für die Gemeinschaft an – aber bitte, ohne die Auffassung des Gegenübers zu entwerten. Einzige Ausnahme: wenn dieser ein »unterirdisches« Weltbild oder kein qualifiziertes Wissen besitze. Einen Satz später schreibt die Autorin jedoch, eine von drei wichtigen Regeln sei: niemals das Gegenüber verächtlich machen. Also wie jetzt? Zudem muss man sich beim Lesen durch verworrene Bandwurmsätze und Gedankenketten quälen. Immerhin spart die Autorin ihr eigenes Versagen beim Streiten nicht aus und schildert Beispiele, in denen sie sich nicht perfekt verhalten hat.

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Abenteuer Familie

Miteinander leben und gemeinsam aufwachsen: Der Familienalltag bedeutet ein intimes Miteinander, das in guter Erinnerung bleiben will. Denn das Netzwerk aus Eltern und Geschwistern flicht Verbindungen solcher Art, die auch Jahre später noch prägend sein werden - ob positiv oder negativ.

Spektrum - Die Woche – Die Kinder, denen die Nazis die Identität raubten

Kinder mit »gutem Blut« hatten im Nationalsozialismus keine Wahl: wer sich nicht eindeutschen lassen wollte, wurde zurückgelassen oder getötet. In der aktuellen Ausgabe der »Woche« beleuchten wir das Schicksal zehntausender verschleppter Kinder, die nie von ihrer wahren Herkunft erfahren haben.

Spektrum - Die Woche – Pestizide: Zu viel, zu verbreitet und gefährlicher als gedacht

In dieser Woche geht es um Pestizide in Deutschland, um den Golfstrom und ein ebenso cooles wie heißes Thema: Supraleitung bei 21 Grad. Celsius wohlgemerkt.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.