Gemeinsam statt gegeneinander
In Text und Bild beschreiben Biologe Josef Reichholf und Illustrator Johann Brandstetter, wie diverse Symbiosen in der Natur entstehen und funktionieren. Zudem zeigen sie, wo sich diese Prinzipien auf den Menschen übertragen lassen und was sich daraus im Sinne eines besseren Zusammenlebens lernen lässt.
Reichholf ist weithin als Wissenschaftler und Autor bekannt, dessen Thesen oft umstritten sind, etwa wenn er sich zum Klimawandel oder zur Entwicklung des Menschen äußert. Den Namen Brandstetters hingegen dürften nur wenige kennen, auch wenn sie seinen Arbeiten bereits begegnet sind – etwa in den "Was ist Was"-Büchern oder anderen Sachtiteln. Brandstetters detailreiche Illustrationen sind sowohl wissenschaftlich exakt als auch schön.
Nutzen oder Ausnutzung?
"Symbiosen" besticht durch leicht lesbaren Schreibstil, auf sperrige Fachbegriffe wurde weitgehend verzichtet. Man merkt, dass Wort und Bild von Anfang an eine Einheit bilden, da die Grafiken eine tragende Rolle spielen. Die schön gestalteten Arbeiten ergänzen den Text nicht nur, sondern verdeutlichen auch die dargestellten Beziehungen zwischen den verschiedenen Lebewesen und machen schwer Erkennbares sichtbar. Wer die Illustrationen im Großformat bewundern möchte, kann dies bis September 2017 in Salzburg tun, wo sie im Haus der Natur gemeinsam mit Präparaten und Filmmaterial ausgestellt werden.
In der Einführung grenzt Reichholf Symbiosen von Parasitismus ab und erklärt ihre diversen Formen. Dabei wird deutlich, dass es sich um komplizierte Konstellationen handelt, bei denen es oft Interpretationssache ist, ob es sich um noch um Nutzen oder bereits um Ausnutzung handelt. Auch wir Menschen als Superorganismen stellen symbiotische Gemeinschaften dar, da wir nur zusammen mit unserem Mikrobiom überleben können. Reichholf schreibt sogar: "Alle Tiere und Pflanzen sind durch Symbiosen zustande gekommen, die sich in der Frühzeit des Lebens gebildet hatten". Schnell kommt beim Lesen der Eindruck auf, wenn man nur genau genug hinsehe, ließen sich überall Symbiosen entdecken. Selbst wenn die Partner nur kleine Vorteile davon haben, genügt das oft bereits, um eine dauerhafte Wechselbeziehung zu ermöglichen.
Viele Biologen, meint der Autor, seien Idealisten, die Symbiosen gern als dauerhaften Idealzustand ansehen. Seiner eigenen Meinung nach trifft das nicht immer zu, da diese Wechselbeziehungen manchmal nur vorübergehend und auch nicht zwangsläufig für alle Partner ideal seien. Er bemüht sich um eine unvoreingenommene Betrachtung von Symbiosen und hinterfragt etwa, warum solche, die durch menschliches Zutun entstehen (etwa durch gezieltes Züchten von zahmen Tieren), oft weniger positiv gesehen werden.
Auf den Menschen übertragen
Wenn der Biologe über Symbiosen in der Natur schreibt, sucht er oft nach "Entsprechungen in unserer Menschenwelt"; zudem zieht er aus ihnen vielfach Lehren für das menschliche Miteinander und das Zusammenleben des Menschen mit der Natur. Ob man das gut findet, ist gewiss Ansichtssache, aber die Passagen sind immerhin stimmig formuliert. Reichholf bezeichnet sich selbst als "biophil" und setzt sich in dem Buch auch für Tier- und Umweltschutz ein.
Nachdem man als Leser(in) 30 Symbiosen aus dem Tier- und Pflanzenreich kennengelernt hat, findet man im letzten Kapitel die "schwierigste Symbiose" behandelt, nämlich die zwischen Stadt und Land. Hier verlässt Reichholf den üblichen Rahmen der Biologie, indem er das Separieren von menschlicher Kultur und Natur als künstlich bezeichnet. Um die Probleme der Landwirtschaft zu bewältigen, empfiehlt er beispielsweise, sich an erfolgreichen Symbiosen in der Natur zu orientieren und genau wie diese auf Nachhaltigkeit zu setzen. Auch seine – sehr moralisch gehaltene – Einleitung schließt mit dem Appell: "Es liegt in unserer Verantwortung, die größte und wichtigste aller Symbiosen zukunftstauglich zu gestalten: die Symbiose von Mensch und Natur."
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