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»Tachyon: Die Waffe«: Lässt sich Bewusstsein transferieren?

Der Auftakt der »Tachyon«-Trilogie ist gelungen. Brandon Q. Morris präsentiert solide Sciencefiction mit atemberaubender Technologie.
Spiralgalaxie IC 342

Monte läuft um die Liege herum und hockt sich vor den Akku. »Wenn dieser hübsche Akku hier leer ist, bevor ich leer bin, was wäre die Folge?« Monte, ein Raumschiffpilot, stellt sich diese Frage nicht ohne Grund. Im Sciencefiction-Roman von Brandon Q. Morris ist er nämlich gerade dabei, sein Bewusstsein upzuloaden, es also in einen elektronischen Datenspeicher hochzuladen. Und da es sich um einen Notfall handelt, steht eben nur ein kleiner Akku zur Verfügung. Also fragt er sich – etwas erschrocken –, was mit seinem Bewusstsein passiert, wenn die Stromversorgung unvermittelt ausfallen sollte.

In diesem Roman geht es aber nicht nur um Gehirntransfer. Brandon Q. Morris (das Pseudonym von Matthias Matting) stellt noch viele andere höchst hypothetische und auch in Zukunft wohl kaum realisierbare Technologien vor. Und es sind doch einige, die der routinierte Sciencefiction-Autor in seine Raumfahrertrilogie »Tachyon« eingebaut hat. Deren ersten Teil »Die Waffe« stellen wir hier vor.

Das Buch beginnt mit Astronauten, die außerirdisches Leben auf einem anderen Planeten erforschen. Am Ende kehrt ein Astrobiologe zur Erde zurück, der glaubt, dass sich gefährliche intelligente Wesen in ihm eingenistet haben. Aber das steht eigentlich gar nicht im Mittelpunkt des Romans. Morris tobt sich vielmehr zu der Frage aus, was die Technik in der Zukunft alles möglich machen könnte. Und: In der Zukunft, also in rund 770 Jahren, scheint ziemlich vieles möglich zu sein. Das Gehirn kann aus dem eigenen Körper in einen Computer gespeichert werden und anschließend wieder zurück, oder wahlweise auch in eine speziell dafür gezüchtete »Biobag«. Auf diese Weise werden jahrelange Raumfahrten mit annähernder Lichtgeschwindigkeit bei extremem Beschleunigungsdruck eben komfortabler. Das Bewusstsein kann in alle möglichen elektronischen Speicher umgeladen werden, extreme genetische Anpassungen an das Leben auf dem Titan sind möglich, der Mars wurde besiedelt wie auch der Erdmond, und die Menschen nutzen Tachyonen, Teilchen, die Nachrichten schneller als das Licht übermitteln. Und da Morris Physiker ist, gelingen ihm auch die theoretischen Erklärungen dazu. Reichlich viele liefert er zu den Tachyonen, mitten in der Handlung, aber auch im Anhang erklärt er ausführlich, was es mit diesen schnellen Teilchen auf sich hat. Sie sind zwar extrem hypothetisch, aber tatsächlich kommen sie in der Theoretischen Physik vor.

Der eine oder andere, der einem Sciencefiction-Autor nicht so recht glauben mag, wird vielleicht zu einzelnen Themen noch weiter recherchieren wollen. Physikalisch weniger Interessierte können die Exkurse zu Metamaterialien, Tscherenkow-Strahlung und relativistischen Geschwindigkeiten aber überlesen und auch ohne sie einen Roman mit gutem Unterhaltungswert entdecken. Technikkritik gibt es bei Morris nicht, aber einige seiner fiktiven Akteure lehnen einen Teil der Technologie ab, auch wenn sie dafür kaum Begründungen anführen.

Der Faktor Mensch bleibt entscheidend

Denn trotz überragender Technologien – im Mittelpunkt stehen die Abenteuer der Menschen, die auch in 770 Jahren weiterhin sehr menschliche Fehler machen. Morris erschafft Protagonisten wie die wissbegierige Yini, die verschlagene Lydia, den schuldbewussten Marc, die mutige Tailin und eben den wagemutigen Monte. Es sind keineswegs blasse Figuren, sie leben in einer Welt, in der es auch um Liebe geht, um Sex nur mit Nähe, um Spionage, Freundschaft, Eifersucht – all das spielt bei Morris auch noch in der Zukunft eine wichtige Rolle.

Und dann ist da noch die titelgebende Waffe. Die allerdings taucht nur eher nebulös am Rande auf. Vielleicht ein Cliffhanger, um Interesse für die folgenden Teile der Trilogie zu wecken: »Das Schiff« und »Der Planet« – auch hier ist solide Sciencefiction zu erwarten.

Morris ist mit »Die Waffe« ein spannender Sciencefiction-Roman gelungen, mit allem, was dazu gehört. Und wenn in 770 Jahren Strom noch in Akkus gespeichert wird, die ganze Erde zu einem Naturschutzgebiet erklärt wurde, es komplizierte Liebesbeziehungen gibt und Menschen Genmanipulation noch immer ablehnen, ist das vielleicht auch irgendwie beruhigend.

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