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Versunkene Geheimnisse

Jedes Mal, bevor Florian Huber in ein neues Gewässer eintaucht, kostet er zunächst vom kühlen Nass. So hat er bereits einige Tropfen aus den Unterwasserhöhlen Mexikos getrunken, einen kleinen Schluck aus dem engen Nürnberger Brunnen sowie aus dem Walchensee – dem tiefsten See Deutschlands. Er schlürfte auch schon Ostseewasser und sogar ein winziges bisschen Pazifik. Denn Florian Huber ist Unterwasserarchäologe. Im vorliegenden Buch berichtet er von seinen spannenden Expeditionen rund um den Erdball.

Huber bleibt in dem Werk nah seinen Feldtagebüchern. Dadurch bekommt der Leser das Gefühl, selbst im Geschehen drin zu sein. Am Anfang jedes Kapitels steht die akribische Vorbereitung am Schreibtisch in Kiel; später fliegt man im Flugzeug mit und zwängt sich neben die Tauchutensilien im Van. Man schwitzt mit dem Autor, wenn er die Ausrüstung durch den Dschungel schleppt, und taucht an seiner Seite ins nasse Element. Unter Wasser hofft man für Huber auf spektakuläre Funde und darauf, dass das Gas in der Druckluftflasche ausreicht. Schließlich taucht man gemeinsam mit ihm aus jedem Kapitel wieder auf. Der Archäologe schafft es, seine Eindrücke und Beobachtungen spannend nachzuerzählen. Seine nahezu kindliche Begeisterung für ungelöste Rätsel, gefährliche Orte und Zeitkapseln reißt mit – jedenfalls zu Anfang. Gegen Ende jedoch wirkt sie leicht überzogen.

Seit Jahrtausenden unter der Oberfläche

Der größte Teil des Buchs entfällt auf das erste Kapitel: die Totenhöhlen von Mexiko. In mehreren Tauchgängen nimmt Huber den Leser mit in die Cenoten von Yucatán, auf deren Grund viele Menschenknochen gesunken sind. Unter anderem der Schädel der 16-jährigen Naia, die vor 13 000 Jahren den Tod fand. Sie ist damit eine der ältesten bisher bekannten Amerikanerinnen.

Der tiefe Brunnen von Nürnberg birgt leider nur wenig brisante Funde, vor allem verloren gegangene Gegenstände von Touristen, die zu weit in den Abgrund geschaut haben: Sonnenbrillen, ein Walkman und Spielzeug. Auch die Expeditionen zum deutschen U-Boot UC 71 vor Helgoland sowie zum "Jahrhundertwrack Mars" in der Ostsee sind wenig eindringlich, jedoch trumpfen diese beiden Kapitel mit ausführlichen historischen Abrissen auf. Man erfährt darin, wie es zur absichtlichen Versenkung der UC 71 nach dem Ersten Weltkrieg kam und wie sich die Schweden und Dänen im 16. Jahrhundert bekriegten.

Im vorletzten Kapitel beschreibt der Autor, wie er den 1200 Meter langen Stollen zwischen Walchensee und Kochelsee im Süden Deutschlands durchquerte. Der Tunnel, bereits 1918 erbaut, muss alle zehn Jahre überprüft werden. Dazu steuerte ein Kollege des Autors Deutschlands einziges bemanntes Forschungstauchboot durch den Stollen, während Huber und ein Tauchpartner vorausschwammen. Am Ende des Werks entführt der Unterwasserarchäologe seine Leser auf eine Kreuzfahrt durch den Pazifik. Hier ertauchte er alte Munition, Granaten, korallenbewachsene Panzer und Kanonen aus dem Zweiten Weltkrieg – tickende Zeitbomben, vor denen er eindrücklich warnt.

Parade der Spitznamen

Alles in allem schafft Huber es, das Publikum für sein Fachgebiet zu begeistern. Sein Buch ist spannend und wissenschaftlich fundiert. Zugleich führt es die Leser in das Einmaleins des Tauchens ein: Begriffe wie Boltsnaps, Dekompressionszeit, Nitrox und Trimix, Backkick und Shotline sind einem nach der Lektüre geläufig. Wer zwischen den Kapiteln springen möchte, kann dies problemlos tun – im Anhang findet sich ein ausführliches Glossar.

Zu den Schwächen des Werks gehören gelegentliche sprachliche Unebenheiten, die Tendenz zu Wiederholungen und ausufernde Beschreibungen des Forscheralltags auf Expedition. Man bekommt jedes Essen geschildert, erfährt alle Spitznamen von Hubers Kollegen und resigniert irgendwann angesichts des Mantras sorgfältiger Planung vor jedem neuen Tauchgang "in der lebensfeindlichen Atmosphäre". Andererseits macht dies das Buch authentisch. Wer nicht aufpasst, spürt schon nach kurzer Lektüre ein unwiderstehliches Verlangen nach Tauchurlauben.

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