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»Teslas Gigafactory«: Vom Lottogewinn in die Realität

Wolfgang Bauernfeind erklärt, wie die Tesla-Fabrik in Brandenburg die wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Probleme der Elektromobilität offenlegt. Eine Rezension.

Es schien wie ein Lottogewinn: Im November 2019 verkündete Tesla-Chef Elon Musk die Errichtung einer weiteren »Gigafactory« für sein Unternehmen. Als Produktionsstätte für Elektroautos und Batterien hatte man sich für das brandenburgische Grünheide entschieden, das mit mehr als 8000 Einwohnern etwa 35 Kilometer von Berlin entfernt liegt. Geplant war damit Teslas erste Elektroautofabrik in Europa. Im März 2022 liefen dort tatsächlich die ersten Autos vom Band. Doch der Weg dahin war steinig: Während die Entscheidung für den Wirtschaftsstandort von der Politik und Tesla-Fans gefeiert wurde, äußerten einige Bürger und Umweltinitiativen massive Kritik.

Der Journalist Wolfgang Bauernfeind begleitete die Umsetzung des Bauvorhabens in Grünheide sowie die öffentlichen Diskussionen seit November 2019. In mehr als 50 chronologisch geordneten Kapiteln berichtet er darüber.

Kein abstraktes Sachbuch

Zur Errichtung der Gigafactory kaufte Tesla ein 300 Hektar großes Grundstück für 43,4 Millionen Euro von der brandenburgischen Landesregierung. Zwar schienen die Vorteile des Projekts greifbar nah: Es bestand die Chance auf bis zu 12 000 Arbeitsplätze, eine verbesserte Infrastruktur, der Bau neuer Wohnungen und Schulen für die Region. Doch Gegner kritisierten schnell die auf dem erworbenen Gelände bevorstehende Waldrodung und den voraussichtlich hohen Wasserverbrauch von 3,3 Millionen Kubikmetern pro Jahr. Dieser konnte inzwischen auf immerhin noch 1,4 Millionen Kubikmeter gesenkt werden. Ebenso sorgte für Unmut, dass sich viele seitens des Unternehmens und der Behörden unzureichend informiert fühlten.

Bauernfeind zeigt, dass die erste Euphorie schnell der Realität wich, die hart geführte Diskussionen und auch gerichtliche Schritte enthielt. Mitten in der Corona-Pandemie – im September und Oktober 2020 – eskalierte die Stimmung während einer öffentlichen Erörterung des Bauvorhabens. Bauernfeind berichtet von mehr als 400 Personen, die insgesamt über 880 Einwendungen eingereicht hatten. Die sowohl sachlich, aber auch sehr emotional geführten Diskussionen erstreckten sich über acht Tage.

In seinem Buch lässt der Autor die unterschiedlichen Akteure zu Wort kommen: Umweltschützer, Netzwerker, Befürworter und Kritiker, den Grünheider Bürgermeister, Professor Andreas Knie als Leiter der Forschungsgruppe »Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung« vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung oder Jochem Freyer, den Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder). Im Zentrum stehen dabei Fragen der Kosten-Nutzen-Abwägung des Bauvorhabens, Entwicklungsmöglichkeiten, Landschaftsschutzaspekte, die durch den Bau möglicherweise gefährdete Grundwasserversorgung, die Zukunft des Elektroautos an sich und vermeintliche Ungereimtheiten des Vergabeverfahrens. Weitere Themen sind die zu erwartenden Auswirkungen des Fabrikbaus auf den Immobilienmarkt sowie der schwierige Umgang von Tesla-Chef Elon Musk mit Gewerkschaften und Tarifverträgen.

Bauernfeinds Darstellung endet mit dem »Tag der offenen Tür« des Werks am 9. Oktober 2021 und der für Anfang 2022 in Aussicht gestellten, endgültigen Betriebsgenehmigung durch das Landesamt für Umwelt. Exemplarisch für Unternehmungen dieser Größenordnung zeichnet der Autor die komplexen Strukturen nach, in denen sich der Bau der Gigafactory vollzog. Die diskutierten Fragen reichen jedoch weit über das Tesla-Projekt in Grünheide hinaus: etwa, wenn es um die Verträglichkeit von Klimaschutz und Wohlstand geht oder um Umwelteingriffe zur Produktion einer als »umweltfreundlich« geltenden Technologie wie dem Elektroauto.

Bauernfeind präsentiert kein abstraktes Sachbuch, das die Umsetzung der Gigafabrik unter politischen, juristischen oder wirtschaftlichen Aspekten betrachtet. Vielmehr erinnert der Schreibstil an Einblendungen in Radiofeatures, für die der Autor als Journalist beim SFB und RBB über mehrere Jahre verantwortlich war. Zwar geht das zu Lasten einer systematischeren Analyse, ermöglicht aber einen unmittelbareren Zugang zu den Gesprächspartnern und Ereignissen. Insgesamt ist das Buch verständlich geschrieben und richtet sich an Leserinnen und Leser, die an umwelt-, wirtschafts- und zukunftspolitischen Fragen sowie allgemein an der Diskussion zur Elektromobilität interessiert sind.

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