Buchkritik zu »The Formation of Stars«
Eine zusammenfassende Darstellung des Gebietes Sternentstehung fehlte bisher. Den Autoren ist zu danken, dass sie diese wichtige Lücke geschlossen haben.
Was erwarte ich von diesem achthundertseitigen Buch, das für fortgeschrittene Studenten der Astronomie geschrieben ist? Eine zusammenhängende Geschichte der Sternentstehung: von den Eigenschaften der Molekülwolken und davon, wie sich diese auf die Eigenschaften der entstehenden Sterne oder Sternsysteme auswirken; von den Prozessen, die tatsächlich aus Verdichtungen einer Molekülwolke trotz Rotation und Magnetfeld einen Stern entstehen lassen; von den dazugehörigen Zeitskalen; von Unterschieden zwischen massearmen und massereichen Sternen; von globalen Eigenschaften wie der ursprünglichen Massenfunktion; vom Erscheinungsbild der jungen Sterne, von Jets und Sternwinden; von zirkumstellaren Scheiben; von der Bildung von Planeten und Vergleichen zu unserem Planetensystem.
Bei all dem wüsste ich gerne, worauf sich die Vorstellungen gründen, wo man sich auf sicherem Grund, wo noch im Ungewissen bewegt, und welches aus heutiger Sicht die wissenswerten Fragen sind, die im Verständnis weiterhelfen könnten, und wie ihre Beantwortung vielleicht angegangen werden kann.
Schließlich hätte man gerne noch Hinweise auf wichtige Originalliteratur und auf hilfreiche Übersichtsartikel, um eine weiterführende genauere Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen zu erleichtern.
Wir schlagen das Buch auf und sehen im Inhaltsverzeichnis, dass das Buch in mancher Hinsicht noch breiter angelegt ist: Das diffuse interstellare Medium in seinen verschiedenen Phasen, die Bildung der allerersten Sterne und Sternbildung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Galaxien führen eindeutig über die eben niedergeschriebene spontane Wunschliste hinaus.
Palla und Stahler haben das Buch in größere Abschnitte geteilt. Es beginnt mit einem recht anschaulichen Überblick über Sternentstehung in unserer Galaxis. Es folgen die stärker theoretisch gehaltenen Abschnitte über physikalische Prozesse in Molekülwolken und die Entstehung von Sternen aus solchen Wolken. Danach werden die Wechselwirkungen junger Sterne mit ihrer Umgebung betrachtet, dann wird die Vorhauptreihenentwicklung näher beschrieben, Und schließlich widmen sich die beiden letzten Kapitel noch der Sternentstehung im extragalaktischen Bereich. Jedes der insgesamt 20 Kapitel des Buches beginnt mit einer etwa halbseitigen Einführung und endet mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Punkte von vergleichbarer Länge. Mit diesen ordnenden Maßnahmen und der beschränkten Länge der Unterkapitel bleibt das thematisch weite und weitverzweigte Gebiet in vernünftiger Weise überschaubar.
Der Text – auf Englisch – ist gut zu lesen und im Großen und Ganzen als zusammenhängende Geschichte geschrieben, in der die Fragen und Ergebnisse nach und nach entwickelt werden. Es ist auch sehr hilfreich, dass die Abbildungen nicht einfach übernommen, sondern jeweils für den bestehenden Zusammenhang neu entworfen oder angepasst wurden. In großen Teilen des ersten Abschnitts und im Kapitel über T-Tauri-Sterne ist die Darstellung so gut gelungen, dass das Lesen einfach Spaß gemacht hat.
Die theoretischen Abhandlungen sind naturgemäß spröder. Mir scheinen sie auch insgesamt im Verhältnis zu der Darstellung der Beobachtungsergebnisse einen zu breiten Raum einzunehmen oder etwas zu frei von begleitenden Beobachtungsbefunden daherzukommen, auch wenn man den Anspruch des Buchs berücksichtigt, in erster Linie Ideen zu präsentieren und zu erläutern. Doch erlaubt die relativ übersichtliche Gliederung dem Leser, ohne große Verluste seine eigene Balance herzustellen. Die Literaturangaben am Ende jedes Kapitels gewinnen durch die jeweils zugefügte schlagwortartige Erläuterung.
Auch ein gutes Buch lässt Raum für kritische Anmerkungen, zumal bei einem solchen Umfang. So habe ich die Drehimpulsverteilung der Molekülwolkenkerne und ihren Vergleich mit der Bahndrehimpulsverteilung junger Doppelsterne vermisst. Auch ist der Zeitpunkt Null, von dem die Entwicklungsrechnungen junger Sterne ausgehen, nicht in offenkundiger Weise beschrieben. Er scheint stillschweigend durch die von den Autoren begründete, mit Recht ausführlich besprochene und in ihrer Weise durchaus wichtige "Geburtslinie" (birth line) ersetzt, was nicht ganz üblich ist und mich irritiert hat.
Die genauen physikalischen Umstände und den Zeitpunkt bei denen die Existenz eines Protosterns beginnt, und die ich mir anhand dieses Buches einmal genauer zu Gemüte führen wollte, habe ich nicht befriedigend beschrieben gefunden. Bei den jungen Sternen mittlerer Masse wird die in der Literatur vorkommende Einteilung nach "Gruppen" unkommentiert und ohne Angaben der quantitativen Kriterien eingeführt – sie erscheint mir wegen der bewährten bereits bestehenden Einteilung massearmer junger Sterne nach "Klassen" eher als fragwürdig. Auch sind die Leistungen der ab 2000 entwickelten Scheibenmodelle für diese Sterne mittlerer Masse etwas stiefmütterlich behandelt.
Dies alles sind, wenn überhaupt, kleine Webfehler, die bei einer weiteren Auflage – die ein solch wichtiges Buch verdient – leicht behandelt werden können, und die an der bemerkenswerten Leistung der Autoren nichts ändern.
Das Buch, dem die lange Vorbereitungszeit sichtlich gut getan hat, bietet sich förmlich an als Leitfaden für Seminare über junge Sterne und Sternentstehung. Jede astronomische Bibliothek sollte es besitzen. Auch Studenten und Wissenschaftlern dieser Fachrichtung möchte ich den Besitz eines Exemplars warm empfehlen. Es gehört zu den Büchern, deren Fülle von Erläuterungen und Beziehungen man sich am fruchtbarsten ins Gedächtnis rufen kann, wenn man die Lektüre durch eigenes Unterstreichen der wichtigen Punkte begleitet.
Was erwarte ich von diesem achthundertseitigen Buch, das für fortgeschrittene Studenten der Astronomie geschrieben ist? Eine zusammenhängende Geschichte der Sternentstehung: von den Eigenschaften der Molekülwolken und davon, wie sich diese auf die Eigenschaften der entstehenden Sterne oder Sternsysteme auswirken; von den Prozessen, die tatsächlich aus Verdichtungen einer Molekülwolke trotz Rotation und Magnetfeld einen Stern entstehen lassen; von den dazugehörigen Zeitskalen; von Unterschieden zwischen massearmen und massereichen Sternen; von globalen Eigenschaften wie der ursprünglichen Massenfunktion; vom Erscheinungsbild der jungen Sterne, von Jets und Sternwinden; von zirkumstellaren Scheiben; von der Bildung von Planeten und Vergleichen zu unserem Planetensystem.
Bei all dem wüsste ich gerne, worauf sich die Vorstellungen gründen, wo man sich auf sicherem Grund, wo noch im Ungewissen bewegt, und welches aus heutiger Sicht die wissenswerten Fragen sind, die im Verständnis weiterhelfen könnten, und wie ihre Beantwortung vielleicht angegangen werden kann.
Schließlich hätte man gerne noch Hinweise auf wichtige Originalliteratur und auf hilfreiche Übersichtsartikel, um eine weiterführende genauere Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen zu erleichtern.
Wir schlagen das Buch auf und sehen im Inhaltsverzeichnis, dass das Buch in mancher Hinsicht noch breiter angelegt ist: Das diffuse interstellare Medium in seinen verschiedenen Phasen, die Bildung der allerersten Sterne und Sternbildung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Galaxien führen eindeutig über die eben niedergeschriebene spontane Wunschliste hinaus.
Palla und Stahler haben das Buch in größere Abschnitte geteilt. Es beginnt mit einem recht anschaulichen Überblick über Sternentstehung in unserer Galaxis. Es folgen die stärker theoretisch gehaltenen Abschnitte über physikalische Prozesse in Molekülwolken und die Entstehung von Sternen aus solchen Wolken. Danach werden die Wechselwirkungen junger Sterne mit ihrer Umgebung betrachtet, dann wird die Vorhauptreihenentwicklung näher beschrieben, Und schließlich widmen sich die beiden letzten Kapitel noch der Sternentstehung im extragalaktischen Bereich. Jedes der insgesamt 20 Kapitel des Buches beginnt mit einer etwa halbseitigen Einführung und endet mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Punkte von vergleichbarer Länge. Mit diesen ordnenden Maßnahmen und der beschränkten Länge der Unterkapitel bleibt das thematisch weite und weitverzweigte Gebiet in vernünftiger Weise überschaubar.
Der Text – auf Englisch – ist gut zu lesen und im Großen und Ganzen als zusammenhängende Geschichte geschrieben, in der die Fragen und Ergebnisse nach und nach entwickelt werden. Es ist auch sehr hilfreich, dass die Abbildungen nicht einfach übernommen, sondern jeweils für den bestehenden Zusammenhang neu entworfen oder angepasst wurden. In großen Teilen des ersten Abschnitts und im Kapitel über T-Tauri-Sterne ist die Darstellung so gut gelungen, dass das Lesen einfach Spaß gemacht hat.
Die theoretischen Abhandlungen sind naturgemäß spröder. Mir scheinen sie auch insgesamt im Verhältnis zu der Darstellung der Beobachtungsergebnisse einen zu breiten Raum einzunehmen oder etwas zu frei von begleitenden Beobachtungsbefunden daherzukommen, auch wenn man den Anspruch des Buchs berücksichtigt, in erster Linie Ideen zu präsentieren und zu erläutern. Doch erlaubt die relativ übersichtliche Gliederung dem Leser, ohne große Verluste seine eigene Balance herzustellen. Die Literaturangaben am Ende jedes Kapitels gewinnen durch die jeweils zugefügte schlagwortartige Erläuterung.
Auch ein gutes Buch lässt Raum für kritische Anmerkungen, zumal bei einem solchen Umfang. So habe ich die Drehimpulsverteilung der Molekülwolkenkerne und ihren Vergleich mit der Bahndrehimpulsverteilung junger Doppelsterne vermisst. Auch ist der Zeitpunkt Null, von dem die Entwicklungsrechnungen junger Sterne ausgehen, nicht in offenkundiger Weise beschrieben. Er scheint stillschweigend durch die von den Autoren begründete, mit Recht ausführlich besprochene und in ihrer Weise durchaus wichtige "Geburtslinie" (birth line) ersetzt, was nicht ganz üblich ist und mich irritiert hat.
Die genauen physikalischen Umstände und den Zeitpunkt bei denen die Existenz eines Protosterns beginnt, und die ich mir anhand dieses Buches einmal genauer zu Gemüte führen wollte, habe ich nicht befriedigend beschrieben gefunden. Bei den jungen Sternen mittlerer Masse wird die in der Literatur vorkommende Einteilung nach "Gruppen" unkommentiert und ohne Angaben der quantitativen Kriterien eingeführt – sie erscheint mir wegen der bewährten bereits bestehenden Einteilung massearmer junger Sterne nach "Klassen" eher als fragwürdig. Auch sind die Leistungen der ab 2000 entwickelten Scheibenmodelle für diese Sterne mittlerer Masse etwas stiefmütterlich behandelt.
Dies alles sind, wenn überhaupt, kleine Webfehler, die bei einer weiteren Auflage – die ein solch wichtiges Buch verdient – leicht behandelt werden können, und die an der bemerkenswerten Leistung der Autoren nichts ändern.
Das Buch, dem die lange Vorbereitungszeit sichtlich gut getan hat, bietet sich förmlich an als Leitfaden für Seminare über junge Sterne und Sternentstehung. Jede astronomische Bibliothek sollte es besitzen. Auch Studenten und Wissenschaftlern dieser Fachrichtung möchte ich den Besitz eines Exemplars warm empfehlen. Es gehört zu den Büchern, deren Fülle von Erläuterungen und Beziehungen man sich am fruchtbarsten ins Gedächtnis rufen kann, wenn man die Lektüre durch eigenes Unterstreichen der wichtigen Punkte begleitet.
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