Wildtiere in tödlicher Hitzefalle
Bei einem Massensterben im australischen Bundesstaat Queensland gingen im Januar 2014 mehr als 45 000 Flughunde zu Grunde. Fast alle dieser großen Fledermäuse gehörten der gleichen Art an, so dass sich ihre Population an einem einzigen Tag halbierte. Was war passiert? Eine Hitzewelle hatte den Tieren zugesetzt, wie Lisa Warnecke in ihrem äußerst lesenswerten Buch »Tierisch heiß« berichtet. Die Biologin schlüsselt im Detail auf, wie Wildtiere auf die Klimakrise reagieren, wer sich vielleicht anpassen kann oder wie die Flughunde scheiterten.
Welche Arten können mit den veränderten Umweltbedingungen umgehen? Mit den steigenden Temperaturen und mit Wetterextremen wie Hitzewellen, die künftig weltweit vermehrt und wohl auch verstärkt auftreten werden? Pauschale Antworten kann es auf diese Fragen nicht geben. Zu viele verschiedene Faktoren spielen hier eine Rolle, die sich teilweise ergänzen und verstärken. Die physiologischen Vorgänge im Körperinneren sind ebenso entscheidend wie die Lebensweise und das Verhalten der Tiere.
Zwei Tatsachen lassen sich jedoch schnell feststellen: Hitzewellen sind grundsätzlich schwerer zu verkraften als langsam steigende Temperaturen, und Generalisten mit etwas Flexibilität haben bessere Chancen als Spezialisten. Wer kann, verlegt seine Aktivitäten vom heißer werdenden Tag in die Nacht oder verlagert seinen Lebensraum in kühlere Gefilde. Ein leichtes Unterfangen ist das aber nicht, sind hier doch immer schon Fressfeinde und Konkurrenten etabliert, während vielleicht auch die Nahrung umgestellt werden muss.
Noch weiß man zu wenig von diesen Zusammenhängen. »Tatsächlich hat sich die Forschung lange vor allem mit den Auswirkungen langsamer, gradueller Temperaturveränderungen auf Ökosysteme beschäftigt«, schreibt Warnecke. »Wetterextreme wurden eher als Ausnahme mit geringem Langzeiteffekt behandelt.« Die Autorin zeigt die Klimakrise in all ihren Auswirkungen als Bedrohung für die biologische Vielfalt, stellt jedoch auch heraus, dass sie ein Stressfaktor neben vielen anderen wie dem Verlust an Lebensraum, Umweltgiften und Krankheiten ist.
Gefangen in der Höhe
Für Baumbewohner kann insbesondere die exponierte Lage zur Falle werden. Anders als Tiere in Höhlen und unterirdischen Bauten können sie sich bei einer Hitzewelle nicht in ein erträglicheres Mikroklima flüchten. »Wenn Kühlungsmechanismen nicht ausreichen und die Körpertemperatur über eine Toleranzgrenze hinweg ansteigt, hat das tödliche Folgen«, so Warnecke. Flughunde, Possums und Koalas fallen tot von den Bäumen.
Zwar blieb die Hälfte der Flughund-Population beim Massensterben in Queensland erhalten, die überlebenden Tiere waren aber höchstwahrscheinlich stark dehydriert. Das gefährdet ihren Fortpflanzungserfolg und damit den gesamten Bestand. Auch wenige Tage dauernde Wetterextreme können daher zu einem großen Problem für den Artenschutz und für Ökosysteme werden: Flughunde sind unter anderem als Bestäuber von Pflanzen unersetzlich.
Bei extremer Hitze können die Mechanismen zur Regulierung der Körpertemperatur an ihre Grenzen stoßen, beim Schwitzen geht zu viel kostbares Wasser verloren. Das Überleben kann dann von Schattenplätzen und Wasserquellen abhängen, die durch die Klimakrise aber immer knapper werden. Das Problem wird übrigens auch für uns Menschen dringender. So fehlt es vielerorts an kühlenden Stadtparks und Trinkwasser, worunter insbesondere ältere, kranke und sehr junge Menschen leiden, weil sie extreme Hitze grundsätzlich schlecht tolerieren.
Warnecke greift auf ihre eigene Arbeit als Wildtierbiologin sowie auf Projekte von Kolleginnen und Kollegen zurück, um den Lesern den aktuellen Forschungsstand – auch mit offenen Fragen – nahezubringen. Dafür spannt sie den Bogen von der Wüste bis zum Meer, wo die Tiere an den hohen Temperaturen, der veränderten Wasserchemie und an Sauerstoffmangel leiden. Der Untertitel »Wie Koala, Elefant und Meise auf die Klimakrise reagieren« greift also deutlich zu kurz.
An diesem wichtigen Werk sind nur die Zwischentitel zu bemängeln, die aus unerfindlichen Gründen mitten im Wort zweigeteilt sind. »IRRE PARABEL« etwa bezieht sich auf Schäden, die nicht gutzumachen sind. Das tut Warneckes Botschaft aber keinen Abbruch, dass wir die Überlebensmechanismen von Tieren und ihre komplexen Interaktionen im Ökosystem besser untersuchen müssen, um Vorhersagen für die Zukunft zu machen.
Noch eines ist der Autorin wichtig: »Wildtiere brauchen von uns zwei Dinge: Raum und Zeit«, so Warnecke. »Erstens müssen wir ihnen ausreichend Raum geben, sprich Ökosysteme intakt halten, renaturieren und vernetzen. Zweitens müssen wir Tieren durch schnelles Handeln in Klimafragen Zeit gewährend, damit ihre natürliche Anpassungsfähigkeit Schritt halten kann mit den Veränderungen der Umwelt.« Anders gesagt: Das Problem der hohen und extremen Temperaturen ist brandeilig.
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