»Unterirdische Wunderwelten«: Ein Blick in den Bauch von Mutter Erde
Sie sind überall: Im Körper, im Käse, in Socken und manchmal auch im Portemonnaie. Löcher sind faszinierend und manchmal auch gruselig. Das gilt erst recht für die geheimnisvollsten und verblüffendsten Löcher unseres Planeten – Höhlen, Grotten, Tunnel et cetera. Manche sind groß wie Städte, andere so klein, dass man nur auf allen vieren hineinkrabbeln kann.
18 besonders atemberaubende »unterirdische Wunderwelten« hat der Journalist und Reiseschriftsteller Volker Mehnert für Kinder im Grundschulalter in seinem Sachbuch versammelt. Darin lädt er kleine (und große) Höhlenfans ein, tief in den Bauch von Mutter Erde hineinzublicken. Auf einer Reise quer durch die Welt führt er uns in die großen Tropfsteinhöhlen im Nationalpark »Carlsbad Caverns« in New Mexico, in die Königsgräber von Theben in Ägypten oder in die Höhlenstädte von Kappadokien in der Türkei.
Bevor wir mit der Lektüre starten, gibt uns eine Weltkarte einen Überblick über die Geografie der Grotten, Tunnel und Höhlen. Das dazugehörige Inhaltsverzeichnis macht neugierig auf diese Orte und gibt erste Hinweise auf ihre Alleinstellungsmerkmale. Am Ziel angekommen, sorgen die fast DIN-A2-formatigen, farbenfrohen Bilder erst einmal für einen Wow-Effekt. Sie zeigen aber auch das ganze Können der preisgekrönten Illustratorin Claudia Lieb, die für alle unterirdischen Orte die passende Atmosphäre kreiert und unseren Blick regelrecht in den Raum hineinzieht. Mal setzt sie die Grabkammer von Ramses VI. in Szene, mal entwirft sie abstrakt in Rot und Schwarz ihre Vision der mythologischen Unterwelt. Einen Blick hinter die Kulissen erlauben ihre zahlreichen filigranen Darstellungen technischer Details wie die Querschnittszeichnungen vom Aufbau eines Fluchttunnels an der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Eine Entdeckungsreise für Kinder und ihre Eltern
Während Erwachsene am liebsten in Claudia Liebs opulenten Bilderfluten versinken wollen, stürzen sich Kinder auf kunterbunte Farbenspiele wie die der blaugrünen Unterwasserwelt der mexikanischen Cenoten oder kichern über witzige Größenvergleiche: Wirken die abgebildeten Menschen zwischen den gewaltigen Monumenten der österreichischen Eisriesenwelt doch klein wie Spielzeugmännchen. Kleines Manko bei aller Begeisterung: Der Detailreichtum und differenzierte Aufbau der Illustrationen ist für Kinder nicht immer auf den ersten Blick zu erfassen, denn ihnen fehlt noch ein geschulter Blick auf Perspektive und Bildaufbau. Im Dialog und Austausch mit einem Erwachsenen entdecken dann aber auch Kinder den ganzen optischen Zauber der unterirdischen Bilderwelten.
Auch die Texte von Volker Mehnert sind alles andere als leicht konsumierbares Häppchen-Infotainment. Eine Handvoll auf den Seiten verteilte Textblöcke bieten einen ersten Überblick mit vielen Informationen, aber auch tiefergehende Erläuterungen zu verschiedenen Aspekten einer Höhle. Die Sprache ist anspruchsvoll, der Satzbau oft komplex. Zudem ist die Schriftgröße für die Lesekompetenz von Grundschulkindern mitunter zu klein. Sich mit dem Buch zu beschäftigen, erfordert daher Zeit, Ausdauer und Konzentration. Nicht gerade die Kernkompetenzen von Achtjährigen. Mein Tipp: Lieber das Buch mit Kindern immer mal wieder gemeinsam zur Hand nehmen und punktuell einsteigen, statt sie mit der Fülle an Fakten und Geschichten sich selbst zu überlassen. Wer das beherzigt, wird reich belohnt. Zum Beispiel mit Funfacts zur neuseeländischen Grotte »Waitomo Caves«: An deren Decken hängen Glühwürmchen, die mit ihrem Licht nicht nur für eine eigentümliche blaugrüne Stimmung sorgen, sondern die Decken auch in ein Sternenzelt unter der Erde verwandeln. Mehnert zeigt uns aber nicht nur durch Wasser, Wind und Wellen entstandene Höhlen, sondern stellt uns auch von Menschenhand erschaffene Wunderwerke vor: wie die berühmte Moskauer Untergrundbahn mit ihren Fußböden aus rotem Marmor und vergoldeten Kronleuchtern oder das Luxushotel »The Greenbrier« in West Virginia, das in den 1950er Jahren einen Kommandobunker für die amerikanische Regierung beheimatete.
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