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Ruf des Abyssals

Kennen Sie Vampyroteuthis infernalis? Wissen Sie, wie Sie zur "Inhospitable Island" gelangen? Oder haben Sie schon einmal einen "Eisbrecher" getrunken? Die Besatzung der "Valdivia" jedenfalls (anfangs) nicht. Das deutsche Forschungsschiff stach 1898 von Hamburg aus in See; Ziel war es, mehr über die Tiefen der Meere herauszufinden.

Rudi Palla, österreichischer Maschinenbauer und Schriftsteller, vollzieht diese Expedition im vorliegenden Buch nach. Dabei präsentiert er eine überzeugende Mischung aus Erzählungen und Anekdoten, Berichten sowie geschichtlichen und biologischen Hintergrundinformationen. Unter Leitung des deutschen Zoologen Carl Chun (1852-1914) fuhr die Besatzung der "Valdivia" durch die Nordsee, durch den Nordatlantik und an Afrikas Westküste entlang bis ins südliche Eismeer. Sodann ging es wieder nordwärts bis Sumatra, quer durch Indischen Ozean und Rotes Meer, weiter übers Mittelmeer und schließlich zurück nach Hamburg.

Für Geschichts-, Biologie- und Technikinteressierte

Der Autor legt nicht nur Wert darauf, die Reise korrekt nachzuerzählen, er informiert seine Leser auch über die Leidenschaft für alles Maritime des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm II. (1859-1941). Zudem schildert er die Lebensgeschichte Carl Chuns und dessen Werben für die Expedition bei potenziellen Geldgebern. Neben der historischen Darstellung gelingt es Palla, ein lebendiges Bild der Tiefsee und ihrer Bewohner zu zeichnen. Damit fesselt er sowohl ein geschichtlich als auch ein biologisch interessiertes Publikum. Sein eigener Hintergrund als Maschinenbauer kommt im Kapitel über die Schiffsausstattung und die Arbeitsweise der Besatzung zum Tragen. Spätestens hier sind auch technikaffine Leser mit im Boot.

Den Löwenanteil nimmt erwartungsgemäß die Expedition selbst ein. Palla widmet sich der Route und geht dabei sehr detailliert auf die wissenschaftlichen Arbeiten ein, etwa das Ausloten der Meerestiefe oder das Einholen der Netze. Die Funde benennt und kategorisiert er auf eine Weise, die auch für Nichtbiologen sehr anschaulich ist, und weist immer wieder auf Besonderheiten hin. Zu den Neuentdeckungen der Expedition gehörte neben vielen anderen Tieren der Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis infernalis), ein bizarr anmutendes Wesen mit etwa 30 Zentimeter Rumpflänge. Detaillierte Farbtafeln und Schwarzweißaufnahmen bilden den Bordalltag ab und geben einen Eindruck von den fantastischen Kreaturen der Tiefsee.

Wenn Neptun sich die Ehre gibt

Zum Thema macht Palla auch die fragwürdigen, oft grausamen Kolonialpraktiken, als sich die Expedition am afrikanischen Kontinent entlang bewegte und dort in einigen europäischen Siedlungen Zwischenstopps einlegte. Andere Anekdoten aus Chuns Aufzeichnungen sind wiederum amüsant. In ihnen geht es beispielsweise um die Äquatortaufe, bei der Neptun "höchstselbst" nebst Gefolge an Bord kam und die Seeleute beim Überqueren des Breitenkreises taufte, oder um eine Schneeballschlacht an Deck inmitten einer gewaltigen Eislandschaft.

Der Autor hebt die Entdeckungen der Expedition und vor allem die Verdienste Chuns hervor, die bis heute für die Tiefseeforschung bedeutsam sind. Auf Grund seiner Interdisziplinarität und seines abwechslungsreichen Schreibstils ist das Werk kurzweilig, erhellend und allen einschlägig Interessierten zu empfehlen.

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