Bedrohte Ernten
Weltweit kämpfen Landwirte um ihre Existenz. Eine industrialisierte Landwirtschaft, die auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und extrem viele Ressourcen verbraucht, gefährdet ihre Lebensgrundlage. Der Klimawandel verschlimmert ihre prekäre Situation. Meldungen von Extremwetterereignissen erreichen uns mittlerweile regelmäßig; seltener ist allerdings zu vernehmen, dass mit ihnen massive Ernteausfälle einhergehen. Dabei wird das zunehmend zum Problem.
Wasser ist die grundlegende Ressource der Landwirtschaft. Seine Vorräte sind auf der Erde jedoch sehr ungleich verteilt. In Gegenden, wo es seit jeher an Niederschlägen mangelt (etwa Südspanien, Kalifornien oder Ägypten), haben die Menschen immer schon Grundwasser oder Flüsse angezapft. In der Folge kam und kommt es zu Grundwasserabsenkungen und dem Trockenfallen von Gewässern. Seit einigen Jahren verschärfen landbautechnische und klimatische Entwicklungen diese Situation dramatisch. Hinzu gesellt sich eine neue Herausforderung: In Regionen wie dem Monsungebiet Indien, wo Niederschläge bislang zuverlässig auftraten, ist dies immer weniger der Fall. Entweder es fällt dort zu viel Regen oder zu wenig oder zur falschen Zeit.
Ertragsverluste bei diversen Erzeugnissen
Der promovierte Agrarwissenschaftler und Journalist Wilfried Bommert, Begründer und Leiter der Umweltredaktion des WDR und Mitbegründer des Instituts für Welternährung in Berlin, und die Journalistin Marianne Landzettel haben rund um den Globus diverse Farmen und landwirtschaftliche Betriebe unterschiedlicher Größe besucht. Mit deren Betreibern sprachen sie über gegenwärtige Probleme und Perspektiven der Agrarwirtschaft. Die Erkenntnisse, die sie dabei gewannen, flossen zusammen mit wissenschaftlichen Befunden in dieses Buch ein.
Der Blick ins Inhaltsverzeichnis weckt zunächst den Eindruck, die Autoren befassten sich lediglich mit Luxusgütern: acht der zwölf Buchkapitel sind dem Anbau von Mandeln, Kaffee, Wein, Oliven, Orangen, Tee, Kakao und der Austernzucht gewidmet. Aber in den jeweiligen Anbauländern, die teils dramatische Ernteverluste verzeichnen, geht es nicht um den Verzicht auf schnöden Wohlstand. Vielmehr hängen ihre Volkswirtschaften entscheidend von den jeweiligen Exporteinnahmen ab, und Millionen Arbeitsplätze sind mit den entsprechenden Erzeugnissen verknüpft. Letztlich stehen diese Produkte auch symptomatisch für die weltweit prekäre Situation der Landwirtschaft. Detailreich, sachlich und dennoch fesselnd legen die Autoren offen, welchen Abhängigkeiten und Sachzwängen die Landwirte – zum Schaden aller – unterliegen und wie der Klimawandel deren Auswirkungen forciert.
Als Bremser einer geeigneten Anpassungsstrategie machen die Autoren einerseits die Global Player aus: Agrokonzerne, Großfarmer, Investoren und Spekulanten, die maximalen Gewinn anstreben und wenig an Nachhaltigkeit interessiert sind. Ihr Agieren befördert eine industriell betriebene Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen und enormem Wasser-, Düngemittel- und Pestizideinsatz – einschließlich der damit verbundenen katastrophalen ökologischen Folgen. Bommert und Landknecht berichten von den Missständen auf Mandelplantagen im kalifornischen Central Valley, Orangen- und Tomatenfeldern in Süd-Spanien, Mais- und Soja-Feldern in Iowa sowie von den Schädlingskrisen in den Orangen-, Oliven- und Weinplantagen Brasiliens und Europas. Andererseits stellen die Autoren auch bei kleinen Landwirten eine verbreitete Ignoranz, Trägheit und Herdentriebsmentalität fest, die sinnvolle Veränderungen behindert.
Diversifizierung als möglicher Ausweg
Das Buch wäre ein reiner Katastrophenbericht, würden die Verfasser nicht Auswege zeigen. Laut Bommert und Landknecht liegt die Lösung in der Diversifizierung der Betriebe – in der Kombination also von Tierzucht, vielfältigen Ackerkulturen und möglicherweise eigener Vermarktung, sowie im klimaverträglichen Anbau. In diesem Zusammenhang spielen "Agroforestry" und "Permakultur" eine bedeutende Rolle: Konzepte, um landwirtschaftliche Flächen oder gleich ganze Betriebe zu stabilen, langfristig angelegten (Öko-)Systemen umzuwandeln, welche dann auf klimatische Veränderungen flexibel reagieren und diese abfedern können. Schon Anpflanzungen von Bäumen in Kaffeeplantagen beispielsweise können Ernten sichern und Erträge sogar steigern.
Zu den Lösungsstrategien müsse ferner gehören, dass Landwirte und Forscher wieder in die Entwicklung robuster und lokal angepasster Kultursorten und -rassen investierten. Kombiniert mit bewährten Verfahren (etwa Fruchtfolge, Mischkultur, Dreifelderwirtschaft), modernen Techniken (Sensoren in Böden, auf Bäumen oder an Tieren) und geschickter Vermarktung könne nachhaltige Agrarwirtschaft profitabel gemacht werden – davon sind die Autoren überzeugt. Die Landwirte müssten dabei jedoch von Politik und Gesellschaft unterstützt werden, da es Zeit brauche, bis die Umstellung Früchte trage. Bommert und Landzettel favorisieren eine Kombination aus Low- und Hightech-Agrarwirtschaft, die auch für junge Leute wieder interessant wird und somit dazu beitragen kann, Landflucht und weltweite Flüchtlingsströme einzudämmen.
Ein ernstes Buch, das hoffnungsvoll endet.
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