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»Vergesst Fleisch!«: Fleischersatz schmackhaft gemacht

Christian Weymayr macht den Ex-Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle zur Hauptfigur eines Buchs über Alternativen zu klassischen tierischen Produkten. Er entgeht dabei der Gefahr, eine Lobeshymne zu verfassen, und liefert einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion über eine Ernährungswende.
Veganes Fleisch liegt auf Holzbrettchen

Wer als Journalist ein Buch über einen ehemaligen Geschäftsführer einer Wurstfabrik schreibt, der aus dieser einen Veggie-Pionier der Branche machte, läuft Gefahr, daraus zugleich auch eine Erfolgsgeschichte des Unternehmens zu stricken. Und vielleicht den Mund ein wenig zu voll zu nehmen, wenn der Klappentext verspricht: »Bald wird für die Ernährung der Menschheit kein Tier mehr sterben müssen.« Schließlich lautet denn auch der Titel des in diesem Fall nur 128 Seiten starken Buchs entsprechend: »Vergesst Fleisch!«

Denn die Fakten zeigen das Gegenteil: dass ein Ende der Schlachtungen für die Fleischproduktion noch lange nicht in Sicht ist. Die weltweite Lust auf Steak, Wurst et cetera ist nicht nur ungebrochen, sie wird wegen der wachsenden Weltbevölkerung vermutlich noch steigen – mit der Folge, dass natürliche Lebensräume Acker- und Weideflächen weichen werden, der Klimawandel vorangetrieben wird und unzählige »Nutztiere« weiterhin gezüchtet und für uns Menschen sterben werden. Zwar ist etwa in Deutschland vor allem der Verzehr von Schweinefleisch seit ein paar Jahren rückläufig, ein kompletter Verzicht zeichnet sich bei der Mehrheit der Menschen aber nicht ab. Die These, die der Autor und Wissenschaftsjournalist Christian Weymayr deshalb vertritt, lautet: Für eine nachhaltige und gesunde Ernährung braucht es weltweit Fleischalternativen, die zwar schmecken, riechen und aussehen wie die Originale, Tieren, Klima und Umwelt aber weniger schaden.

Von Veggie-Mortadella bis zu veganen Hunden

Deshalb bringt der Autor wohl Godo Röben ins Spiel, der heute als Kenner der Fleischersatzszene unter anderem in Aufsichtsräten und Beiräten sitzt und mit der Grünen-Politikerin Renate Künast an diesem Thema weiterarbeitet. Für die Rügenwalder Mühle hatte er vor rund zehn Jahren zunächst die Entwicklung einer vegetarischen Mortadella angestoßen. Wie es dazu kam, schildert Weymayr in seinem Buch ebenso wie die Stolpersteine auf Röbens Weg – etwa, als dieser merkte, dass er von seiner Idee anfangs nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens überzeugen konnte.

»Vergesst Fleisch!« wird dabei nicht zu einer Lobeshymne auf die Rügenwalder Mühle. Dafür lässt Weymayr auch zu viele andere Firmen und Start-ups mit ähnlichen Ansätzen zu Wort kommen. Und er behandelt zudem wichtige Fragen wie etwa die, ob kultiviertes Fleisch aus dem Labor gesund ist und auch Haustiere wie Hunde und Katzen umwelt- und klimafreundlich(er) ernährt werden könnten. Dabei gibt er zum Teil originelle Ideen wieder: zum Beispiel, Hauskatzen mit in Bioreaktoren gezüchtetem Fleisch zu ernähren, das in ein paar Jahren in der EU vielleicht erhältlich sein wird.

Einige seiner sprachlich schnörkellosen Überlegungen hätte der Autor noch mehr durchdenken können. So schreibt Weymayr zum Beispiel, dass enger mit dem Menschen verwandte Säugetiere wie Schweine in Bezug auf den Umgang mit ihnen wahrscheinlich mehr Mitgefühl bei uns erzeugen als etwa Vögel. Hier mag man als Leser etwa an das Töten von Eintagsküken denken und sich fragen, was das Wissen um diese Vorgänge mit einem macht. Diese routinemäßigen Tötungen sind zwar in Deutschland seit dem 1. Januar 2022 verboten, im Ausland aber weiterhin erlaubt.

Auf bestimmte Quellen wie die gemeinnützige Organisation Good Food Institute bezieht sich der Autor häufig; teilweise fehlt die Quellenangabe aber auch. Gerade bei Sätzen wie »Langfristiges Ziel sollte es sein, den Tierverbrauch um 80 Prozent zu reduzieren« wäre es aber hilfreich gewesen zu erfahren, woher diese Zahl stammt. Auch ein Literaturverzeichnis hat das Buch nicht. Häufig, wenn auch nicht immer, bezieht Weymayr sich zudem auf Unternehmen und Start-ups aus den USA oder Europa. Doch auch in anderen Ländern wie zum Beispiel in Südafrika wird an Alternativen zu klassischem Fleisch gearbeitet. Es wäre schön gewesen, wenn der Autor diese Ansätze noch stärker in den Blick genommen hätte, um ein noch umfassenderes Gesamtbild des Themas zu zeichnen – gerade im Hinblick auf die Frage, wo und für wen es in Zukunft Ersatzprodukte geben wird und ob sie sich dann auch langfristig durchsetzen werden.

Insgesamt aber ist »Vergesst Fleisch!« ein konstruktiver und im Grundton optimistischer Beitrag zur Ernährungswende – und damit lesenswert.

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