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»Vom Leben und Sterben der Insekten«: Der Forscher und die Mörtelbienen

Jean-Henri Fabre prägte die Insektenforschung und vermittelte als Autor das Wissen seiner Zeit. Er wird in dieser gut lesbaren Biografie angemessen gewürdigt.
Nistplätze für Bestäuber

Für die Mörtelbienen (Chalicodoma) muss es eine Tortur gewesen sein: Um ihren Orientierungssinn zu testen, trug sie der französische Insektenforscher Jean-Henri Fabre (1823 –1915) von ihrem Nest fort und schleuderte sie in einem Säckchen, das an einer Schnur befestigt war, mehrfach im Kreis herum. Dann wechselte er die Richtung, schleuderte sie erneut herum und wiederholte dieses Vorgehen, bevor er sie freiließ. Diese Experimente fanden auf einen Vorschlag des englischen Biologen Charles Darwin (1809 –1882) hin statt. Sie zeigten, dass der Orientierungssinn der Tiere nicht so einfach zu beeinträchtigen war. Denn immer wieder schaffte es eine größere Anzahl von ihnen zurück in ihr Nest.

Wer war Jean-Henri Fabre, der als französischer Insektenforscher in die Wissenschaftsgeschichte einging? Dieser Frage geht der Biologe Stephan Krall in seinem Buch nach. Er gliedert es in 14 Kapitel, die durch einen umfangreichen Anhang ergänzt werden. Seine Darstellung erfolgt auf zwei Ebenen: einerseits als fortlaufender Sachtext, andererseits in Form von vier eingefügten, fiktiven Interviews zwischen Fabre und dem Autor. Darin lässt er den Forscher im Plauderton von einzelnen Ereignissen aus seinem Leben berichten.

Krall zeichnet das Bild eines Wissenschaftlers, der sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet hat. Geboren im südfranzösischen Saint-Léons, erhielt er zunächst nur eine dürftige Schulbildung. Doch bereits in seiner Kindheit zeigte er Interesse für die Natur, insbesondere für Tiere und Insekten. Dank einiger Stipendien konnte er letztlich die Êcole normale primaire de Vaucluse absolvieren, die er als 18-Jähriger mit der Befähigung zum Grundschullehrer verließ. Später wurde er Gymnasiallehrer auf Korsika und in Avignon. In Paris promovierte er 1855 in Botanik und wurde 1858 Titularprofessor am Lyzeum von Avignon.

Forscher und populärwissenschaftlicher Schriftsteller

Krall präsentiert Fabre jedoch nicht nur als Naturforscher, sondern auch als Schriftsteller. Durch seine populärwissenschaftlichen Arbeiten trug er zur Verbreitung zeitgenössischer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei. Sein berühmtestes Werk sind die zehnbändigen »Souvenirs entomologiques« (deutsch: »Erinnerungen eines Insektenforschers«), die zwischen 1879 und 1907 erschienen. Sie enthalten neben Abhandlungen über Insekten auch persönliche Erinnerungen. Ferner hielt Fabre in Avignon Abendkurse zur Jugend- und Erwachsenenbildung, die sowohl Männern als auch Frauen offenstanden. Die Zulassung von Frauen brachte ihn in Konflikt mit konservativen Kreisen der Stadt. Krall weist darauf hin, dass Fabre durch diese Abendkurse auch die Bekanntschaft des liberalen englischen Philosophen John Stuart Mill (1806 –1873) machte, dessen Ehefrau in Avignon begraben war. Daraus entwickelte sich eine enge Freundschaft. Von dem Chemiker und Mikrobiologen Louis Pasteur (1822 –1895), der in Avignon die Krankheiten der dortigen Seidenraupenzuchten untersuchen wollte, fühlte er sich dagegen herablassend behandelt.

Ein besonderes Augenmerk richtet Krall auf den Kontakt Fabres zu Charles Darwin, mit dem er zwischen 1880 und 1881 einige Briefe wechselte. Diese sind im Buch wiedergegeben. Fabres und Darwin tauschten sich darin über den tierischen Orientierungssinn aus. Allerdings war Fabre kein Anhänger der darwinschen Evolutionstheorie. Vielmehr vertrat er einen theologischen Schöpfungsglauben, in dem letztlich Gott für die Erschaffung und den Untergang der Arten verantwortlich ist. Allerdings war Fabre kein Kirchgänger und lehnte die Eucharistie ab. Damit erscheinen seine religiösen Ansichten eher als Ausdruck eines ganz persönlichen Glaubens.

Krall legt mit seinem Buch eine gut lesbare, populärwissenschaftliche Biografie Fabres vor, die sich auch den Lebensumständen im Frankreich des 19. Jahrhunderts widmet. Die fiktiven Interviewpassagen lockern den Sachtext auf, doch bleibt der interviewte Fabre hier letztlich eine fiktive Person, die trotz des Bezugs auf biografische Fakten sagt, was der Autor ihr in den Mund legt. Und auch wenn das Buch eine Reihe von Abbildungen enthält, wären doch zusätzliche Bilder zur Botanik oder Insektenkunde wünschenswert gewesen.

Das Buch eignet sich für biologiehistorisch interessierte Leserinnen und Leser. Vorkenntnisse sind nicht notwendig.

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