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Wie alles begann und wohin es geführt hat

Roland Full, pensionierter Gymnasial-Lehrer, für technisch-naturwissenschaftliche Fächer, wagt sich an das Experiment, jungen Leuten die Welt zu erklären. Es ist nicht sein erstes Buch in dieser Richtung, wohl aber das mit dem am weitesten reichenden Anspruch. Man merkt dem Autor an, dass er im Umgang mit dem Zielpublikum viel Erfahrung besitzt: Der unterhaltsame Text ist flüssig zu lesen und wird sicher auch älteren Lesern Freude bereiten. Falls Sie sich über den merkwürdigen Buchtitel wundern: Das "Gummibärchen" bildet den Endpunkt des Spannungsbogens im Buch und ist auf vielfältige Weise mit dem roten Faden des Werks verknüpft. Als Zeugnis menschlichen Kulturschaffens soll es in erster Linie Interesse und Neugier wecken; eine tiefergehende inhaltliche Bewandtnis hat es damit nicht.

Der Autor vollbringt die beachtliche Leistung, knapp 14 Milliarden Jahre Entwicklungsgeschichte unseres Universums zu überstreichen. Obwohl er dabei diverse Fachrichtungen streift und mit verschiedensten Zeitskalen hantiert, können ihm auch fachlich wenig vorgebildete Leser jederzeit folgen. Nachdem er den Urknall, die Entstehung der Materie, der Sterne und Planeten behandelt hat, widmet er sich dem Menschen als komplexem Organismus auf der Bühne des Lebens. Schließlich befasst er sich mit unserer Rolle als Kultur erschaffenden Wesen.

Ausflug ins Multiversum

Das Werk präsentiert sich erfreulich aktuell. Full erörtert beispielsweise die Möglichkeit multipler Universen, und wenn er auf die Abstammung des Menschen eingeht, orientiert er sich eng an modernen Vorstellungen von Anthropologen und Evolutionsbiologen. Bei letzterem Thema lässt er sich nicht auf die Frage ein, inwieweit wir von Affen abstammen, und macht auch klar, warum das nicht Not tut.

Eine Besonderheit des Werks sind die zahlreichen Vorschläge für Experimente. Sie tauchen am Ende jedes Kapitels auf und sollen den behandelten Stoff vertiefen, naturwissenschaftliches Grundverständnis fördern und eine erfrischende Abwechslung zur Theorie des Texts bieten. Damit man die Versuche erfolgreich angehen kann, hat der Autor Einkaufslisten zusammengestellt mit Gegenständen und Reagenzien, die frei im Handel erhältlich sind.

Full entwickelt viel Fantasie, wenn er komplexe Zusammenhänge in Metaphern erklärt oder anhand von Parallelen veranschaulicht. Immer wieder findet er Übereinstimmungen zwischen wissenschaftlichen Vorstellungen und der (modernen) Alltagswelt. Da dient die innere Organisation von Städten als Pendant zur autarken Funktionsweise einer Zelle, und die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten von Legosteinen werden herangezogen, um genetische Vielfalt darzustellen.

Das ewige Missverständnis um Grundsätze und Wahrheiten

Zum Thema macht der Autor auch die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Laien. Sie krankt oft daran, dass Erstere ihre Modelle und Befunde kaum allgemeinverständlich darstellen können. Full spricht dieses Dilemma offen an und versucht, Verständnis dafür beim Leser zu entwickeln. Er macht klar, dass wissenschaftliche Modelle keinen Absolutheitsanspruch haben. Für ihn geht nicht um richtige oder falsche, sondern um gute oder schlechte Beschreibungen.

Freilich muss man dem Werk einige Schwächen bescheinigen. So tut der Autor die Lautäußerungen von Hühnern als simples Gegacker ab – ignorierend, dass Verhaltensforscher darin unterschiedliche Elemente erkennen, die verschiedenen Situationen im Leben der Vögel entsprechen. Zudem ist eine Skizze zum Aufbau des Atoms so stark vereinfacht, dass sie bereits falsch ist. Warum Full mehrfach versucht, den Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion wegzudiskutieren, erschließt sich nicht. Schließlich lässt das Werk auf schmerzliche Weise ein Literaturverzeichnis vermissen. Nicht nur, dass es dem Buch gut gestanden hätte, seine Quellen zu offenbaren – auch fehlen den Lesern so wichtige Hinweise darauf, wo sie sich tiefergehend mit der Materie beschäftigen können.

Trotz dieser Defizite weckt das Buch die Neugier auf die Natur, auf das Leben (nicht nur auf unserem Planeten) und auf wissenschaftliches Arbeiten. Ein insgesamt empfehlenswertes Werk für alle Interessierten.

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Hochempfindliche Versuche spüren einer winzigen Asymmetrie im Elektron nach. Sie könnte erklären, warum kurz nach dem Urknall die Materie statt die Antimaterie Oberhand gewonnen hat. Doch dieses hypothetische Dipolmoment müsste man erst einmal messen. Außerdem: In der Krebsmedizin spielen zielgerichtete Behandlungsverfahren eine immer wichtigere Rolle. Zu ihnen gehören Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, die Tumorzellen präzise aufspüren und angreifen. Die Ergebnisse der Verhaltensforschung an Insekten zeigen, dass Bienen und andere Sechsbeiner deutlich höhere kognitive Fähigkeiten besitzen als bislang gedacht. Das hat weit reichende ethische Konsequenzen. In Alaska färben sich unberührte Flüsse und Bäche rötlich; ganze Ökosysteme sind in Gefahr. Welche Prozesse löst tauender Permafrost aus?

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