Warum Jesus wohl kein Zimmermann war
Die Bibel gilt eher nicht als Quell des naturwissenschaftlichen oder historischen Erkenntnisgewinns. Ebenso kämen wohl nur wenige Menschen auf die Idee, theologische Literatur mit Humor in Verbindung zu bringen. Umso erfrischender ist dieses Buch von Simone Paganini, Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen. Es vermittelt Erkenntnisse aus der Bibelforschung und verarbeitet dabei den alten Streit zwischen Naturwissenschaftlern, Historikern und Theologen auf scherzhafte Weise.
Als Aufhänger hat Paganini den aktuellen Begriff der Fake News verwendet. Falschnachrichten gibt es für ihn in zweierlei Hinsicht: zum einen solche über die Bibel, zum anderen solche aus der Bibel heraus. Denn sie behauptet unter anderem, dass die Fledermaus ein Vogel und der Hase ein Wiederkäuer sei – beides nachweislich nicht richtig. Was zunächst nur belegt, dass zur Entstehungszeit der Bibel der naturwissenschaftliche Kenntnisstand längst nicht so weit fortgeschritten war wie heute.
Widersprüchliche Schöpfungsmythen
Eines der bekanntesten Beispiele hierzu ist der Urknall, also die mutmaßliche Entstehung des Universums aus dem Nichts. In der Bibel gibt es nichts dergleichen, obwohl sie gleich mehrere Schöpfungsmythen verarbeitet, die sich teilweise widersprechen. Diese Erzählungen haben jedoch nicht das Ziel, die Entstehung des Kosmos wissenschaftlich fundiert zu rekonstruieren, wie der Autor betont. Sie fragen vielmehr nach dem Wozu und versuchen, die Stellung und Bedeutung des Menschen in der Welt zu verdeutlichen.
Mehrfach befasst sich Paganini mit Übersetzungsfehlern. Ein schönes Beispiel ist der Beruf Jesu: In der altgriechischen Fassung des Neuen Testaments ist hinsichtlich des Berufs von Josef, Jesu Vater, die Rede von einem »tekton«. Im weitesten Sinn bedeutet das »Baumeister«. Der jüdischen Tradition entsprechend hat Jesus diese Profession vermutlich von seinem Vater gelernt und somit ebenfalls ausgeübt. In der lateinischen Übersetzung wurde aus dem tekton der »faber«, dessen Bedeutung sich im Lauf der Jahrhunderte von »Baumeister« zu »Schmied« verschob. Im Mittelalter kam man dann darauf, dass es sich wohl um einen Holzhandwerker gehandelt habe, und in Luthers Bibelübersetzung wurde aus dem ursprünglichen Baumeister ein »Zimmermann« – denn zu seiner Zeit waren die Häuser meist aus Holz gebaut und nicht, wie in Israel üblich, aus Stein.
Eine ebenso spannende Geschichte ist die über den Kometen, der angeblich zu Jesu Geburt erschienen sei. Astronomen haben keine Belege dafür, dass es damals eine solche Erscheinung am Firmament gab. In der Bibel ist lediglich von einem Stern im Osten die Rede, der den Weisen den Weg gewiesen habe. Zwar wurde in der Frühzeit des Christentums vermutet, es habe sich um einen Kometen gehandelt, allerdings datiert die einzige zeitlich nahe liegende Sichtung eines Schweifsterns in das Jahr 12 v. Chr. – zu früh.
Die erste bildliche Darstellung des Weihnachtssterns als Kometen findet sich in einer kleinen Kapelle in Norditalien, gemalt 1303 von dem Künstler Giotto. Dieser hatte zwei Jahre zuvor den Halleyschen Kometen beobachtet und war wahrscheinlich davon zu seinem Bild inspiriert worden. Nebenbei: Giottos Werk gehört zu den ältesten Darstellungen dieses Kometen.
In der Bibel dokumentiert die Erwähnung des Sterns keine tatsächliche Beobachtung, sondern hat symbolische Bedeutung. Laut den Vorstellungen der antiken Welt kündigten Sterne die Geburt bedeutsamer Menschen an. Im Fall Jesu war das die des Messias und Königs der Juden.
Anhand dieser und vieler weitere Beispiele schafft der Autor es, moderne Bibelwissenschaft in zeitgemäßer Sprache zu vermitteln. Er leuchtet den historischen, kulturellen und theologischen Hintergrund diverser biblischer Geschichten aus und präsentiert ihn mit einem Augenzwinkern seinen Lesern. Die witzigen Illustrationen der Zeichnerin Esther Lanfermann geben dem Buch eine besondere Note. Das Werk lässt sich auch Menschen empfehlen, die der Religion eher fernstehen, da es aufzeigt, woher viele geschichtliche und kulturelle Standards der westlichen Lebenswelt stammen.
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