»Von Zahlen, Menschen und Maschinen«: Von Ameisen und Quantencomputern
Der Mathematiker Christian Hesse hat sich als Autor populärwissenschaftlicher Bücher einen Namen gemacht. Auch der vorliegende Titel richtet sich an Laien und behandelt mathematische Zusammenhänge, die unseren Alltag prägen. Das sind heute mehr denn je, und es ist sinnvoll und wichtig, sie zumindest in ihren Grundzügen zu verstehen.
Das Themenspektrum des Bandes ist breit, die Auswahl sehr abwechslungsreich. Hesse beginnt mit dem »Vater der Algorithmen« und zeigt, warum auch »ein Cocktailrezept« als Algorithmus verstanden werden kann. Am Beispiel des »Paradoxon des Sir Robert Giffen« illustriert der Autor, dass die genauere mathematische Analyse eines Sachverhalts durchaus überraschende Ergebnisse erbringen kann. Das gilt auch mit Blick auf das Verhalten von Ameisen, die sich an Duftspuren orientieren. Dies lässt sich als »Schwarmintelligenz« begreifen: Die Tiere informieren andere durch das Hinterlassen von Pheromonen über den kürzesten Weg zu einer Futterquelle, der sich durch mathematische Regeln ausdrücken lässt.
Algorithmen und Quantencomputer
Weitere Beispiele angewandter Mathematik, mit denen wir es – meist ohne es zu wissen – in unserem Alltag zu tun haben, sind Verfahren zur Verschlüsselung von Daten, die auf dem sogenannten RSA-Verfahren beruhen, oder die mathematisch fundierten Strategien von Suchmaschinen, die rund eine Billion Seiten nach ihrer Wichtigkeit für unsere Anfragen sortieren: Auf diesem »PageRank-Algorithmus« beruht die Google-Suche. Ähnliche Bedeutung besitzen Navigationssysteme mit ihren mathematischen Strategien für das Finden von Routen, die verschiedene Orte auf sinnvolle und effiziente Weise miteinander verbinden; oder die Algorithmen zur Kompression von Daten, die es uns erlauben, die Speicherkapazität unserer Computer effizient zu nutzen und die Transferzeiten über das Internet so gering wie möglich zu halten. Im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz beschreibt Hesse die Anwendung von »Neuronalen Netzen« und stellt aus mathematischer Sicht dar, wie diese funktionieren.
All dies wird weitgehend verständlich beschrieben, aber der Text ist dennoch für Leser ohne mathematische Vorkenntnisse oft keine leichte Kost. Man muss sich ins jeweilige Thema hineindenken, um die Erklärungen nachvollziehen zu können. Dies wird besonders deutlich bei der Beschreibung der neu entwickelten »Quantencomputer«. In diesem längsten und komplexesten Kapitel des Buchs wird dargestellt, warum die »Quantencomputer« den herkömmlichen Rechnern in ihrer Rechengeschwindigkeit deutlich überlegen sind. Ihre Funktionsweise schildert der Autor als Abfolge einzelner Rechenschritte. Wer diesen Erklärungen wirklich folgen möchte, muss zu einer gewissen gedanklichen Anstrengung bereit sein.
Der Leser kann sich den verschiedenen Themen des Buchs unabhängig voneinander widmen. Das hat Vor- und Nachteile: Denn dem Leser erschließt sich kaum, ob und wie die einzelnen Kapitel zusammenhängen, andererseits kann er bei der Lektüre problemlos seinen persönlichen Interessen folgen. Die eher komplexen Sachverhalte werden durch eingestreute kurze »Denkpausen« aufgelockert, die an mathematische Rätsel erinnern.
An Mathematik interessierte Laien wird das Buch sicher ermutigen und motivieren, sich mit manchen der besprochenen Fragen noch ausführlicher zu beschäftigen. Es bietet eine Grundlage und einen Einstieg, um verstehen zu können, wie mathematische Verfahren unseren Alltag und damit unser Leben durchdringen: So illustrieren die allgegenwärtigen Anwendungen des Internets eindrücklich die Bedeutung von Algorithmen. Und wer tiefer in die jeweilige Materie einsteigen möchte, wird sich über die Angaben zu weiterführender Literatur freuen – muss dabei aber auch auf recht spezielle Fachliteratur gefasst sein.
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