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Ein Buch für jedes Wartezimmer

Die Angehörigen psychisch Erkrankter leisten viel und kommen dabei selbst manchmal zu kurz. Das Buch »Wahnsinnig nah« erinnert sie daran, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen.

Was kann ich tun, damit es Papa besser geht? Bin ich vielleicht schuld an der Krankheit meiner Partnerin? Wenn Menschen psychisch erkranken, geraten ihre Angehörigen leicht ins Grübeln. Viele zögern, ihre Fragen und Gedanken anzusprechen, wissen nicht, an wen sie sich wenden können. »Wahnsinnig nah« versucht ihnen die Ängste und Befürchtungen zu nehmen und erinnert daran, die eigenen Bedürfnisse nicht außer Acht zu lassen. Denn oft unterstützen sie ihre Liebsten mehr, als ihnen bewusst ist: Sie sind nicht nur Freund oder Tochter, sondern häufig auch Pfleger, Sozialarbeiterin und Psychologin in einem.

Das Buch wurde von Fachleuten geschrieben, denen das Wohl ihrer Patientinnen und Patienten und von deren Angehörigen am Herzen liegt: In jedem Abschnitt begegnen sie ihrer Leserschaft mit Wärme und Wertschätzung. Behutsam und leicht verständlich vermitteln sie Grundlagen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und ihren Behandlungsmöglichkeiten. Nebenbei räumen sie mit manchem Vorurteil auf und scheuen auch schwierige Themen wie den Umgang mit Aggressivität und Suizidalität nicht. Nach jedem Abschnitt versorgen sie die Leser mit Literaturhinweisen und Hilfsangeboten.

Wie wichtig der Austausch mit anderen Angehörigen ist, wird gleich zu Beginn des Werks deutlich. Im ersten Viertel wird persönlichen Geschichten Raum gegeben: Mal erzählen ein Mann und seine depressive Partnerin abwechselnd von ihrem Alltag, mal berichtet eine Mutter von den Psychosen ihres Sohns.

Sie sind nicht nur Freund oder Tochter, sondern häufig auch Pfleger, Sozialarbeiterin und Psychologin in einem

Immer wieder vermitteln die Autorinnen und Autoren, dass es nicht darum geht, »besser« mit den Betroffenen umzugehen oder sie gar zu heilen. Niemanden trifft eine Schuld. Stattdessen zeigt »Wahnsinnig nah«, wie die Betroffenen lernen können, gemeinsam miteinander zu kommunizieren. Statt Fehler zu suchen, sollten die Angehörigen versuchen, Lösungen zu erarbeiten und ihrem Gegenüber mitzuteilen, wie sie denken und fühlen. Ganz wichtig dabei: sich selbst nicht aus den Augen verlieren, die eigenen Grenzen wahrnehmen und sich nicht scheuen, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Die Fülle an Informationen liefert der schmale Band auf weniger als 200 Seiten. Diejenigen, die vor allem an der Kommunikation mit Betroffenen interessiert sind, kommen dabei etwas zu kurz. Erst im letzten Viertel gehen die Fachleute darauf näher ein. Obwohl der Teil viele wichtige Ratschläge gibt, hätte man durchaus weiter ausholen und zur besseren Anschaulichkeit mehr Beispieldialoge liefern können.

Wer seine Lektüre anhand der Optik auswählt, könnte das handliche Buch leicht übersehen: Es wartet weder mit schönen Bildern noch mit einem modernen Layout auf. Das wäre allerdings schade, denn »Wahnsinnig nah« ist allen zu empfehlen, die lernen wollen, auf Augenhöhe mit psychisch Erkrankten umzugehen und dabei trotzdem auf sich selbst Acht zu geben. Ein Buch, das in jedem Wartezimmer ausliegen sollte.

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