Die Ästhetik einer schutzbedürftigen Tierklasse
Auch die zweite Auflage des großformatigen Bildbands »Wandlungskünstler – Die geheime Erfolgsgeschichte der Insekten und wie sie weitergehen kann« ist ein Augenschmaus für Insektenbegeisterte. Die Biologin Nicole Ottawa und der Fotograf Oliver Meckes zeichnen für die Bilder verantwortlich, Journalist Peter Lieckfeld und Biologin Veronika Straaß für die Texte. Im Zentrum des Buchs steht – wie der Titel vermuten lässt – die Metamorphose, also die Wandlung von der Larve zum erwachsenen Tier. Die kurze inhaltliche Einleitung zu dem Thema ist fachlich gut aufbereitet und kommt ohne viele Fachbegriffe aus. Wo Spezialvokabular notwendig ist, wird dieses verständlich erklärt. Der darauf folgende Hauptteil besteht aus Artenporträts 20 verschiedener Spezies.
Makroaufnahmen von Insekten
Die Porträts zeigen auf einer Doppelseite jeweils rasterelektronenmikroskopische (REM) Makroaufnahmen von Larve oder Nymphe sowie vom adulten Insekt. Diese spezielle Art der Gegenüberstellung ist ein Alleinstellungsmerkmal des Buchs. Wen interessiert, wie solche Bilder zu Stande kommen, findet im letzten Kapitel eine gut zugängliche Beschreibung der aufwändigen Technik. Wie üblich, sind die ursprünglich grauen REM-Bilder nachträglich eingefärbt und dabei an den Originalschattierungen der jeweiligen Insekten orientiert. Das für Laien und Profis gleichermaßen beeindruckende Bildmaterial bildet den Kern des Bands und genügt höchsten ästhetischen Ansprüchen. Allerdings werden zwei Entwicklungsschritte vom Lebenszyklus der Insekten – Ei- und Puppenstadium – nicht gezeigt. Vermutlich hätte das den Rahmen gesprengt, dennoch ist das Fehlen gerade jenes Stadiums, in dem die Verwandlung stattfindet, bei einem Buch, das die Metamorphose zum Thema hat, doch etwas merkwürdig.
Auf die Abbildungen folgen stets zwei Seiten Begleittext, auf denen biologische Besonderheiten des vorgestellten Insekts und gegebenenfalls dessen kulturhistorische Relevanz, wie die Seidenproduktion beim Seidenspinner, dargestellt sind. Abgerundet werden die Texte durch diverse Farbfotos der Tiere, auf denen sie oft in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen sind. Das Sahnehäubchen bilden die farblich hervorgehobenen Kästen zu Merkmalen, Vorkommen und Lebensweise. Allerdings hätte man die Anordnung der Spezies ruhig etwas näher an den jeweiligen Verwandtschaftsverhältnissen ausrichten können. Zudem sind Springschwänze zwar Hexapoden, aber keine Insekten. Doch das tut dem zentralen Bildspektakel keinen Abbruch.
Seit der ersten Auflage ist im hinteren Buchteil ein sehr gut recherchiertes Kapitel hinzugekommen, welches das dramatische Artensterben der Insektenfauna beleuchtet. Neben den zahlreichen Ursachen – von Klimakrise und Lebensraumverlust bis zu Überdüngung und Giften – haben die Autoren auch zusammengetragen, welche möglichen Ansätze dem gefährlichen Trend entgegenwirken können, im Großen wie im Kleinen. Zum Beispiel findet sich die Übersicht insektenfreundlicher Pflanzen nebst Blühzeiten, mit denen man selbst aktiv Insekten- und Naturschutz betreiben kann. Hervorzuheben ist außerdem das lesenswerte Interview mit dem Entomologen Martin Sorg, dem öffentlichen Gesicht der »Krefelder Studie«, die 2017 den bedrohlichen Rückgang der Biomasse der Fluginsekten in Deutschland aufzeigte. Seitdem hat sie viel – wenn auch allem Anschein nach nicht genug – Aufmerksamkeit erregt.
Insgesamt ist die zweite Auflage von »Wandlungskünstler« ein sehr gelungener Bildband, den man gerne durchblättert, um sich an den tollen REM-Makroaufnahmen zu erfreuen. Schon die erste Auflage hielt bereits viele gut recherchierte und aufbereitete Hintergrundinformationen bereit, die kurzweilig zu lesen waren. Das Thema Biodiversitätsverlust, um das heute praktisch keine ernst zu nehmende Veröffentlichung rund um die Tier- oder Pflanzenwelt mehr auskommt, wurde nun zeitgemäß ergänzt.
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