»Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt«: Zum Staunen, Wundern und Empören
Suchen Sie online einmal nach der Blauen Ornamentvogelspinne (Poecilotheria metallica)! Wer Angst vor Spinnen hat, kann es auch mit der Wollfledermaus (Kerivoula picta) versuchen. Überrascht? Beide Tierarten lässt die britische Autorin und Wissenschaftlerin Katherine Rundell in ihrem Buch auftreten.
Sie sind aber nicht die einzigen schillernden Gestalten, die Leserinnen und Leser in dem nur rund 200 Seiten dünnen Buch erwarten: Vom Wombat bis zum Narwal hat die Autorin eine Fülle an Tieren porträtiert und sich dafür überraschender, witziger, oft auch ernster oder sogar makabrer Fakten bedient (wer zu letzteren mehr wissen will, dem sei insbesondere das Kapitel über den Einsiedlerkrebs ans Herz gelegt). Langweilig wird die Lektüre dadurch nie. Das liegt auch am ansprechenden Schreibstil der in London, Simbabwe und Brüssel aufgewachsenen Kinder- und Sachbuchautorin, den Tobias Rothenbücher in seiner Übersetzung beibehält. Nur hätte man anstatt der Giraffe vielleicht lieber wie im Original einen der weniger bekannten Goldmulle für Cover und Titel nutzen sollen. Zu Ehren dieser maulfwurfähnlichen Tierfamilie mit teilweise glänzendem Fell und der anderen porträtierten Tiere zieht sich eine Goldspur durch das Buch.
Sträuße, die auf Eier starren
Auch die Illustrationen von Talya Baldwin sind ein Hingucker und laden dazu ein, sich mit dem Narwal und anderen Tieren länger zu befassen. Das möchte Rundell auch. Denn in sämtlichen von ihr beschriebenen Tierfamilien gibt es (sofern genug Daten über die Bestände vorliegen, um ihre Entwicklung zu beurteilen) Arten, die bedroht sind. Die Ursachen dafür – etwa Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung oder Jagd – sind ebenso wie der Verursacher, der Mensch, hinlänglich bekannt. Der Autorin gelingt es aber, dem eigentlich deprimierenden und schon oft behandelten Thema eine frische Note zu verleihen. Das liegt vor allem an Auszügen aus Märchen, Gedichten, Mythen und historischen Ereignissen, die das Buch durchziehen und die aus heutiger Sicht manchmal skurril anmuten. So gab es zum Beispiel im zweiten Jahrhundert nach Christus im Christentum die Vorstellung, dass Sträuße ihre Eier durch intensives Anstarren ausbrüten könnten.
Auch auf die weniger witzigen Seiten des immer noch vorhandenen Irrglaubens über Tiere – wie dem, dass die Hörner von Rhinozerossen, zu Pulver zermahlen, angeblich gegen Impotenz und diverse Krankheiten helfen – macht Rundell aufmerksam. Und sie macht keinen Hehl daraus, wie sehr sie solche Praktiken ablehnt. Wie auch die Ignoranz gegenüber Tieren. Im Fall des Goldmulls etwa hält sie es für eine »groteske Dummheit«, eine dem Aussehen nach so einzigartige und in Bezug auf ihre Lebensweise noch in vieler Hinsicht unerforschte Art aussterben zu lassen.
Rundells Begeisterung für Tiere ist ansteckend. Manchmal interpretiert sie darüber aber etwas zu viel in sie hinein. So ist zum Beispiel bislang unklar, ob Elefanten ihre toten Herdenmitglieder tatsächlich »ehren«, wenn sie sie sanft mit Rüssel oder Fuß berühren. Bei manchen Kapiteln hätte man sich auch ein wenig aktuellere Quellenangaben gewünscht.
Dennoch erreicht Rundell mit »Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt« ihr Ziel: Man staunt, lacht und verzieht hin und wieder das Gesicht beim Lesen dieses hervorragenden Werks.
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