Tolle tierische Talente
Katharina Jakob nutzt einen interessanten Kunstgriff, um ihren Lesern die kognitiven Leistungen der Tiere näherzubringen: Sie beschreibt zunächst die Wissenschaftler und deren Forschungsumfeld ebenso, wie man es üblicherweise mit Tieren und ihrem Lebensraum tut. Das wirkt anfangs vielleicht ein wenig oberflächlich – was haben schließlich Broschen oder wollige Haare mit dem Inhalt von Studien zu tun? Und bei einem Taschenbuch von 256 Seiten bleibt kein Raum für allzu tiefgehende Porträts irgendeiner Spezies, einschließlich des Menschen. Aber es passt zur Herangehensweise der Autorin.
Wo möglich, hat Jakob ihre Gesprächspartner vor Ort getroffen und im Umgang mit Versuchstieren beobachtet. Daher kann sie die Wissenschaftler in ihrem Arbeitsumfeld sehr lebendig beschreiben. Geschichten aus dem Forscherleben, ausgemalt mit Dialekten und Gesten der Gesprächspartner, lassen ein wenig erahnen, unter welchen Bedingungen die jeweiligen Studien entstanden sind.
Methodische Fallstricke
Die Autorin verschweigt dabei nicht die – teils sehr kleinen – Fallzahlen und sonstige Bedenken, die Wissenschaftler hinsichtlich der Aussagekraft der zitierten Studien erhoben haben. Schon in der Einleitung weist sie auf die Fallstricke des Forschungsgebiets hin. Sie betont, wie wichtig eine korrekte Methodik ist, und erinnert an das mahnende Beispiel des »Klugen Hans« zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Das berühmte Pferd konnte nicht, wie kolportiert, rechnen, sondern las die richtigen Antworten aus den Mienen der Umstehenden ab. Explizit erwähnt Jakob auch, dass die von ihr zitierten Studien jederzeit widerlegt werden können.
Als Journalistin ist die Autorin nicht im gleichen Maße an signifikante Versuchsergebnisse gebunden wie die Forscher selbst. Daher entlockt sie den Wissenschaftlern auch und gerade jene Beobachtungen, die in Fachzeitschriften höchstens am Rande erwähnt werden können. Heraus kommt eine große Sammlung wahrhaft faszinierender Verhaltensweisen, die jeweils nur vereinzelt dokumentiert wurden. Da versteckt ein Rabe seinen Futterhappen genau in dem toten Winkel, den der Konkurrent in der Nachbarvoliere auf keinen Fall einsehen kann. Da verweigert der sprachbegabte Papagei Alex nach stundenlangen Tests die richtige Antwort auf eine Frage – und zählt nur die falschen Antworten auf. Ein Krake mauert mit kleinen Steinen den Eingang zu seiner Höhle zu. Und ein Schimpanse schwemmt die Erdnuss in einer schmalen Röhre mit eigenem Harn nach oben.
Besonders tief geht Jakob nicht. Aber aus ihrem Fundus der Anekdoten ergibt sich ein faszinierender Eindruck von dem breiten Spektrum tierischer Fähigkeiten. Pottwal-Clans etwa geben sich durch unterschiedliche Klick-Muster zu erkennen, à la »Wir sind die Müllers«. Tauben sitzen beim Unterscheiden von Wörtern und Nicht-Wörtern den gleichen Buchstabendrehern auf wie Menschen. Und Hunde, seit Jahrtausenden auf das Zusammenleben mit dem Menschen gezüchtet, können, woran sogar Primaten versagen: Sie erkennen unsere Zeigegesten und wissen sie zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Sprachvermögen bei Tieren
Die Autorin hat sich auch Gesprächspartner ausgesucht, die besonders kühne Thesen vertreten. Etwa den Bienenforscher Randolf Menzel, der vermutet, das einzelne Insekt trage ein Bild der Umgebung im Kopf. Oder Con Slobodchikoff, »einer der ganz wenigen Wissenschaftler, die das Sprachvermögen bei Tieren für wahrscheinlich halten«. Die Pfiffe der von ihm untersuchten Präriehunde unterscheiden nicht nur zwischen Bussard, Kojote, Hund oder Mensch. Slobodchikoffs Ergebnissen zufolge weisen sie diesen auch Attribute wie Geschwindigkeit, Größe und Farbe zu.
Dass tierische Rufe Information chiffrieren, »war in den Neunzigerjahren noch eine eher abseitige Vermutung«, hält die Autorin fest. Doch wer das Buch gelesen hat, der empfindet dieses Postulat keineswegs als merkwürdig. Kaum noch nachvollziehbar erscheint, was Jakob in ihrer Einleitung konstatiert: »Noch um 1970 war es für einen Verhaltensforscher undenkbar, von tierischer Intelligenz zu reden.«
Zu hoch gegriffen ist allerdings der Titel des Buchs. Fremdsprachenkenntnisse kommen im Kapitel über Wale gar nicht vor, sondern erst in einem der letzten Abschnitte des Buchs. Dort geht es kurz um Ameisen, die wenig attraktive Futterquellen auf halbem Weg ignorieren; um Schildkröten, die sich den Umweg zum Futter von Artgenossen abgucken; um Schweine, die eine Futterquelle im Spiegel finden; und Orcas, die im gemeinsamen Becken vermehrt ähnliche Laute wie Delfine von sich geben. Von einer Antwort auf die Frage nach dem »Warum« allerdings ist die Wissenschaft bisher weit entfernt.
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