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»Warum wir Kriege führen«: »Krieg ist die Ausnahme, nicht die Regel«

Christopher Blattman identifiziert fünf Wurzeln des Krieges sowie fünf Wege zum Frieden und schildert dazu viele eigene Erfahrungen.
Nahaufnahme eines Panzers, der auf einem Feld steht

Vor weniger als zwei Jahren hätte kaum jemand geglaubt, dass mitten in Europa ein solcher Krieg noch stattfinden könne. Zu gut hatten wir uns im Frieden eingerichtet und lebten im guten Gefühl, dass Handel Wandel und Annäherung bedeutet und dessen Vorteile vor den enormen Kosten eines Krieges schützen. Diese schöne Illusion ist dahin. Nach Putins Überfall auf die Ukraine lesen wir täglich vom Krieg in fast unmittelbarer Nachbarschaft und nehmen zu Hunderttausenden Flüchtlinge auf. Die Kosten für die Weltwirtschaft sind noch lange nicht ausgestanden und fallen dennoch kaum ins Gewicht angesichts der Brutalität von Kriegsverbrechen und der Zerstörung von Städten und Landschaften.

Nicht nur deswegen, sondern auch mit Blick in die Geschichte fällt es schwer zu glauben, dass Kriege die Ausnahme seien, nicht die Regel, wie Christopher Blattman in seinem Buch »Warum wir Kriege führen. Und wie wir sie beenden können« behauptet. Der Autor ist Wirtschafts- und Politikwissenschaftler an der Universität von Chicago und beschäftigt sich vornehmlich mit Gewalt, Verbrechen und Armut. Das kommt im Originaltitel besser zum Ausdruck: »Why We Fight. The Roots of War and the Paths to Peace«.

Blattman hat eine Vorliebe für Symmetrien. Das zeigt der Aufbau des Werkes. Er identifiziert fünf Wurzeln des Krieges, fünf Wege zum Frieden, und er liefert noch im Nachwort »Die zehn Gebote der kleinschrittigen Friedenspolitik«. Die Wurzeln des Krieges sind für ihn die unkontrollierten Interessen, die er in den internen Dynamiken sieht, die Herrscher dazu bringen, entgegen den Interessen des eigenen Volkes zu handeln; in den immateriellen Anreizen, wie etwa Religion, Ideologien, gesellschaftlichen Werten; in der Ungewissheit über Informationen und Intentionen des Gegners; in den Selbstbindungsproblemen, bei denen Machtverschiebungen das Hindernis bei der Frage sein können, was man dem Gegner im Frieden überlassen kann; sowie in den Fehlern in der Wahrnehmung sowohl von uns selbst wie auch unserer Feinde.

Wege zum Frieden findet Blattman in der Interdependenz, also den politischen, gesellschaftlichen, moralisch-kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Gegnern; im Aufbau der demokratischen Machtkontrolle und Machtteilung; in den Regeln ihrer Durchsetzung; in den Formen von Interventionen sowie in den Erkenntnissen von Irrtümern über Krieg und Frieden. Seine zehn Gebote sind bescheidenerer Natur und enthalten eher Vorschläge selbstgenügsamer Art, wie etwa kleinteilig vorzugehen, sich kleine Ziele zu setzen, Maßnahmen zeitnah zu evaluieren und anzupassen sowie Geduld aufzubringen.

Das Buch ist durchdrungen von sehr unterschiedlichen eigenen Erfahrungen des Autors, wie zum Beispiel in der Sozialarbeit mit Gangs in Chicago, mit Clans in Medellín (Kolumbien) und in Friedensprojekten in Liberia sowie Uganda. Seine Erlebnisse erzählt er ausführlich und lockert so die theoretischen Passagen auf, stets nah an der Wirklichkeit und spannend dargeboten. Sie machen das Buch sympathisch, es ist gut geschrieben und leicht lesbar.

Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Blattman zu viel gewollt hat, weil er alle Konfliktarten über einen Kamm schert. Indem er sein Instrumentarium nicht auf Kriege allein beschränkt, sondern auf Konflikte zwischen Gangs und Drogenkartellen genauso anwendet wie auf kleinere Scharmützel und große Kriege, gewinnt man den Eindruck, dass er inhaltlich doch eher auf der Oberfläche agiert und zu wenig historische Tiefe zeigt. Er bedient sich dabei immer wieder der Spieltheorie und bringt nach fast jeder Erzählung sehr einfache Tortendiagramme zur Veranschaulichung an, die die Interessen der Kontrahenten deutlich unterkritisch darstellen. Die ebenso wenig aussagekräftigen Länderkarten scheinen eher für einen amerikanischen Markt erstellt zu sein, wo geografische Kenntnisse vermutlich geringer verbreitet sind. Der Anhang bietet zum Teil lange Anmerkungen, die fast schon Exkurscharakter aufweisen, sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis. Trotz mancher Mankos ist das Buch sehr zu empfehlen, weil es doch eine Fülle von Beispielen bringt, auch wenn die tiefe Analyse fehlt.

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