»Warum wir nicht durch Wände gehen – Unsere Teilchen aber schon«: Der faszinierende Mikrokosmos
Man muss sich im Kopf ein neues Konzept der Welt anlegen, wenn man die Welt der Quanten verstehen möchte. Das fordert Florian Aigner von seinen Lesern gleich zu Beginn seines Buches »Warum wir nicht durch Wände gehen«. Denn dass im Mikrokosmos des Allerkleinsten andere Gesetze herrschen als in unserem Alltag, ist eigentlich nicht überraschend, sondern erwartbar, wenn man sich die so unterschiedlichen Dimensionen des Makro- und Mikrokosmos einmal vor Augen führt.
Aigner legt unverzüglich los mit den wichtigsten Grundlagen, die zum Verständnis der Quantenphysik notwendig sind. So erklärt er die Eigenschaften von Wellen, er erzählt davon, wie es Jahrhunderte gedauert hat, um herauszufinden, dass Licht sowohl als Welle als auch als Teilchen betrachtet werden kann. Licht ist nicht einfach nur eine Welle oder nur ein Teilchen – Licht ist anders. Für Florian Aigner ist es ein Quantenschwubbel. So bezeichnet er im Verlauf der Lektüre gern noch viele weitere mysteriöse Phänomene im Kosmos der Quanten.
Das Wissen über das Licht war die Eintrittskarte in diese fremdartige Welt. Deren Tore öffneten sich immer weiter mit der Entdeckung des planckschen Wirkungsquantums durch Max Planck und der Beschreibung des photoelektrischen Effekts durch Albert Einstein. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war die Quantenphysik noch verwirrend und geheimnisvoll. Aigner erzählt, wie selbst die größten Physiker und Physikerinnen ihre Gedanken sortieren mussten, um sich ein neues Verständnis für den Quantenkosmos zu erarbeiten. Geschickt bettet der Autor wichtige grundlegende Informationen zu Phänomenen wie der Quantisierung, der Unschärferelation oder den Quantensprüngen in seine historischen Erzählungen ein.
Mit den Erkenntnissen von Erwin Schrödinger, die in seiner berühmten Schrödingergleichung gipfelten und es erstmals ermöglichten, die Eigenschaften des Wasserstoffatoms korrekt auszurechnen, war die Physik endgültig angekommen in einer surreal anmutenden Welt mit ganz eigenen Gesetzen. Teilchen waren nun nicht mehr nur Teilchen, wie man sie kannte, sondern zugleich auch Wellen. Damit wurden sie immer schwerer mathematisch fassbar, vor allem dann, wenn viele Partikel miteinander wechselwirken.
Schließlich verlässt Aigner die Geschichte der Quantenphysik. Er präsentiert dem Leser, der sich ja nun die Grundlagen erarbeitet hat, einige faszinierende Experimente. So etwa den Quantenradierer, bei dem Informationen über Photonen einfach gelöscht werden, oder die Quantenbombe, bei der man über Lichtteilchen herausfinden kann, ob man es mit einer echten Bombe oder einer Attrappe zu tun hat. Alle Experimente werden übrigens auch anhand von kleinen Skizzen erklärt, die alle selbst gezeichnet aussehen. Die Illustrationen entwickeln damit durchaus einen gewissen Charme. Sie erinnern an Skizzen, die Lehrer gern schnell zur Veranschaulichung auf Tafeln kritzeln.
Naturgemäß wird es im Verlauf des Buches etwas komplizierter, es bleibt aber frei von jeglichen mathematischen Formeln. Doch auch wenn es anspruchsvoller wird, kann man gelassen bleiben. Sicherlich wird man einige Passagen zweimal lesen müssen. Doch Aigner beruhigt: Sollte man die »Quantenschwubbelei« nicht komplett verstehen, dann muss das nicht unbedingt an der eigenen Intelligenz liegen. Aigner sagt selbst, dass man als Autor schrecklich Acht geben muss, wenn man Sachverhalte aus der Quantenwelt korrekt formulieren möchte. Denn selbst unsere Sprache sei auf die Erklärung von Quantenphänomenen einfach nicht ausgelegt.
Heute hat die Wissenschaft also die Quanten so halbwegs verstanden. Wissen wir nun besser, wie unsere Welt funktioniert? Das fragt sich Aigner gegen Ende des Buches. Er gibt die Antwort gleich selbst: eigentlich nicht wirklich, aber wir können uns auf deutlich höherem Niveau über unsere Welt wundern.
Und nicht nur das. Die Quantenphysik hat durchaus auch Einzug in unsere reale Welt gehalten. Darum geht es im letzten Kapitel. Hier erklärt Aigner, wie ein Laser funktioniert, warum Solarzellen ohne Quanteneffekte gar nicht funktionieren würden, wie wahrscheinlich ein Quantencomputer in der Zukunft ist und wie man die Quantenphysik in der Medizin einsetzt. Abgerundet wird das Buch von einem ausführlichen Glossar, das viel zum Verständnis der Fachbegriffe beiträgt.
Wer also wissbegieriger Laie ist auf dem Gebiet der allerkleinsten, flüchtigen Teilchen und ihrem mysteriösen Reich mit seinen eigenen Gesetzen, der ist mit dieser Lektüre richtig »verschränkt«. Ganz einfach wird die Quantenphysik nie zu erklären sein. Doch wer als Einsteiger gewillt ist, mehr über dieses faszinierende Gebiet der Physik zu erfahren, der sollte sich mit diesem Buch einige gemütliche Abende machen.
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