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Von Hobbits und Helden der Wissenschaft

Der Journalist Frank Westerman schildert in seinem neuen Buch den Fund des so genannten Hobbits: des Homo floresiensis.

In den archäologischen Wissenschaften gilt kaum eine Unterdisziplin als so streitsüchtig wie die Paläoanthropologie. Wenn es um die Evolution der Gattung Homo geht und damit um die Herkunft der Menschheit selbst, kochen die Emotionen – und die Egos der Forschenden – gerne einmal hoch. Und das nicht erst seit Kurzem. Kaum ein paar Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins »Origin of Species« begann die Suche nach dem »Missing Link«, dem fehlenden Bindeglied zwischen dem Homo sapiens und den anderen Primaten sowie zwischen anderen Tierarten.

Die Entdeckung des Hobbits

2003 wurde das Forschungsgebiet mit der Entdeckung eines Schädels des so genannten Homo floresiensis oder »Hobbit« – eines erwachsenen, aber sehr kleinen Menschen – in einer Höhle auf der indonesischen Insel Flores weiter aufgewühlt. Der Sachbuchautor und Journalist Frank Westerman nimmt dies 2016 als Aufhänger für ein Gruppenprojekt mit Studierenden: Sie sollen unter Leitung des Writer-in-Residence Westerman einen populärwissenschaftlichen Text über den Fund in der ehemaligen niederländischen Kronkolonie konzipieren. Die Höhle, in der die Knochen gefunden wurden, war schon zuvor als Fundort bekannt.

Ein niederländischer Missionar und Altertumsforscher, Theodor Verhoeven (1907–1990), hatte dort Ausgrabungen durchgeführt und auf Flores unter anderem die Knochen einer weiteren zwergwüchsigen Art entdeckt: die des nur etwa ponygroßen Flores-Elefanten. Doch leider, so Westerman, grub er nicht tief genug, und erst Jahre später entdeckte ein australisches Team den Flores-Menschen. Von Verhoeven arbeitet sich Westerman vor zu anderen Pionieren des Fachs wie Eugène Dubois, einem weiteren Niederländer, der auf Java schon im 19. Jahrhundert einige der ersten bekannten Homo-erectus-Knochen frei gelegt hatte.

Die mehr oder weniger tragischen Lebensgeschichten dieser und anderer Helden der frühen Paläoanthropologie in Indonesien und ihr teilweise gespaltenes Verhältnis zur Religion verwebt der Autor mit der Vorstellung des nach wie vor umstrittenen Fall des »Hobbit« von Flores.

Das Buch ist im Stil einer Reportage gehalten, die sich allerdings über 266 Seiten erstreckt. Immer wieder »featured« Westerman die Kapitel mit detaillierten Beschreibungen von Gesprächen mit Forschenden bei Tee und Sirupwaffeln an, von regnerischen Wintertagen an der Maas oder Diskussionen mit den Studierenden im Seminar. Der Autor bezeichnet das als »Reportage fleuve« in Anlehnung an den »roman-fleuve«, in dem sich Erzählepisoden wie Perlen einer Kette aneinanderreihen.

In manchen Kapiteln liest sich das amüsant, in anderen weckt es den Wunsch, der Autor möge zum Thema zurückkehren, denn dieses ist durchaus spannend: Die Entdeckungsgeschichte des Homo floresiensis, seine umstrittene Einordnung in den Stammbaum der Menschheit und die nicht enden wollende Diskussion über ebendiesen Stammbaum könnten etliche Bücher füllen. Durch das Springen von Episode zu Episode bleibt das Werk jedoch oberflächlich.

In gewisser Weise wird Westerman damit selbst zum »Mann, der nicht tief genug gräbt« – auch weil er es versäumt, die dunklen Seiten seiner Helden kritisch zu beleuchten. Dass Dubois bei seinen Ausgrabungen einheimische Zwangsarbeiter wortwörtlich zu Tode schinden ließ und einige der während des kolonialen Unrechtsregimes ausgeführten menschlichen Überreste heute von Indonesien zurückgefordert werden, erwähnt er zwar, allerdings ohne eine ethische Diskussion anzuschließen. Stattdessen bezeichnet er die Beschlagnahmung der Knochen des Flores-Menschen durch indonesische Wissenschaftler (in der historisch gesehen nicht unbegründeten Sorge, sie könnten sonst auf Nimmerwiedersehen aus ihrem Heimatland verschwinden) als »Geiselnahme«.

Eine eingehendere Beschäftigung mit dem Rassismus und dem Kolonialismus, die mit der Geschichte der Evolution des Menschen untrennbar verstrickt ist, wäre wünschenswert gewesen. Stattdessen folgt der Autor Gedankenspielen, was den Homo sapiens nun von anderen Tieren unterscheidet. Ist es die Tatsache, dass wir unsere Genitalien bedecken? Dass wir Steuern zahlen? Oder dass wir uns überhaupt Gedanken darüber machen, wer wir sind und woher wir kommen?

Ein philosophischer Denkanstoß über die Sonderstellung der einzigen bis heute überlebenden Spezies der Gattung Homo ist das Werk damit auf jeden Fall. Als Einstieg in die Forschungsgeschichte der Paläoanthropologie Indonesiens – mit Fokus auf Homo floresiensis – und als gutes Beispiel dafür, zu welchen Schlammschlachten anerkannte Wissenschaftler fähig sind, eignet es sich ebenfalls. Wer Westermans Schreibstil der »Reportage fleuve« mag, die von Flores nach Flandern und von der Maas bis zu den Mormonen mäandert, wird darin außerdem eine kurzweilige Lektüre finden, auch wenn die Berichterstattung streckenweise etwas einseitig wirkt.

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