»Wasserstofftechnologien«: (Fast) alles über Wasserstoff
Wasserstoff. An dem Wort kommt man in den Medien aktuell kaum vorbei. Hergestellt mit grünem Strom, soll er bei der Energiewende helfen. Dabei entsteht oft der Eindruck, man könne auf Knopfdruck die Elektrolyseure bestellen, die den Wasserstoff erzeugen. So einfach ist es aber nicht, erklärt Ulrike Beyer Mitte 2022 auf einer Veranstaltung mit Industrieunternehmen in Sachsen. Die Maschinenbauingenieurin arbeitet für das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz und leitet dessen Taskforce »Wasserstoff«. Zudem ist sie eine der vielen Autoren und Autorinnen des Buchs »Wasserstofftechnologien«, herausgegeben vom Präsidenten der Fraunhofer Gesellschaft, Reimund Neugebauer.
Viel versprechender Energielieferant mit vielen offenen Fragen
Das leichteste aller Elemente könnte ein verlässlicher Energielieferant sein; doch das Werk bespricht auch, was dafür noch erarbeitet werden muss. Fragen zum Aufbau einer Serienproduktion, welche Brennstoffzellentypen es schon gibt, wie das flüchtige Gas am besten gespeichert und quer durch Deutschland transportiert werden kann. Und: wo es in der Industrie eingesetzt wird oder bei der Mobilität oder Gebäudeheizung hilft. All das und mehr beantworten die Autoren detailliert in fachlicher Tiefe.
Wer einmal genau hinschaut: Das Buch konzentriert sich auf die Forschung der Fraunhofer Gesellschaft. An deren Name kommt man beim Lesen kaum vorbei: Auf den über 400 Seiten fällt der Name des Instituts 319-mal. Zu Wasserstoff forschen aber auch viele andere Wissenschaftler. Diese allerdings werden in dem Buch nicht namentlich genannt – außer in den Quellenangaben. Selbst bahnbrechende Erfolge werden nicht mit dem Hauptautor angeführt, sondern mit der Bemerkung: »unter tatkräftiger Mitarbeit des Fraunhofer Instituts«. Somit geraten Themen, die in der Fraunhofer Forschungswelt nicht im Fokus stehen, etwas kurz.
Dazu zählt etwa die künstliche Fotosynthese, die inzwischen sogar einen Prototyp vorweisen kann. Auch flüssigen organischen Wasserstoffträgern (so genannten LOHCs), die den Stoff aufnehmen und wieder abnehmen können, wird nur wenig Platz eingeräumt. Ebenso fallen kritische Bewertungen der Fraunhofer Forschungsthemen wie zu E-Fuels oder Treibstoffe aus Biomasse eher vage aus. Im Vordergrund stehen deren Vorteile, die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einer aktuellen Studie als kontraproduktiv für die Energiewende bewertet.
Dennoch findet sich in dem Buch fast jedes Thema rund um den Wasserstoff, da Fraunhofer Institute auf praktisch allen anwendungsnahen Gebieten daran forschen. Manchmal klingen die Autorinnen und Autoren sehr optimistisch, was den künftigen Einsatz des Stoffs angeht. Aber vielleicht braucht es gerade diesen Optimismus. Denn während andere Forscher im Zuge des Klimawandels sogar ein Ende der gesamten Menschheit für möglich halten, ist es anregend, zu lesen, mit welchem Einsatz die Fraunhofer Forschenden an besseren Zukunftsaussichten arbeiten.
Das Werk enthält nicht nur (fast) alles zu Wasserstoff, sondern liefert unzählige Daten und Zahlen. Damit ist den vielen Autoren und Autorinnen ein wertvolles Buch gelungen, das meist verständlich in fachlicher Tiefe berichtet. Nur manchmal stören in einigen Kapiteln Bandwurmsätze, in denen man allzu lange auf ein Verb warten muss oder die wie aus einem Forschungsantrag entnommen scheinen. Dennoch: Durch die Fülle an Themen und Details ist das Buch einzigartig und eine wertvolle Fundgrube für Fachleute und alle Interessierten, die es genauer wissen wollen.
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