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Antike aus der Metaperspektive

Historiker Michael Scott postuliert wenig überzeugend, Griechenland, Rom, China und Indien seien in der Antike eng verbunden gewesen.

Manchmal sind es Ereignisse in der Gegenwart, die neue Perspektiven auf die Vergangenheit öffnen. Seit geraumer Zeit verfolgt das aufstrebende China mit der »Neuen Seidenstraße« einen geostrategischen Masterplan, mit dem es die Welt enger an das Reich der Mitte binden will. Damit beruft sich das Land auf eine Handelsroute, die seit Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. den Mittelmeerraum mit China und Indien verband. Dies nimmt der an der University of Warwick lehrende Althistoriker Michael Scott zum Anlass, um in seinem Buch unseren begrenzten Blick auf die Antike zu erweitern. Unsere Perspektive auf die Vergangenheit, so Scotts Einwand, konzentriere sich mantrahaft nur auf die griechische und römische Geschichte, lasse dabei aber außer Acht, dass es damals »mehrere antike Welten« gegeben habe.

Bereits antike Historiker des Mittelmeerraums, etwa Diodor Siculus oder Strabon, hatten in ihren Universalgeschichten ein »Welt-Bewusstsein« an den Tag gelegt, indem sie die Gesamtheit der ihnen bekannten Welt in den Blick nahmen. Daran anknüpfend, lenkt Scott den Blick zunächst auf den vormittelalterlichen Handel, in dem »die wechselseitige Interaktion der antiken Zivilisationen besonders evident war«. Güter gelangten vom Mittelmeer nach Ost- und Südostasien und umgekehrt. Damit einhergehend sei »eine Fülle an Ideen, Wissens- und Glaubensinhalten unterwegs« gewesen, welche die Lebenswelt der damaligen Völker beeinflusst habe, wie der Althistoriker schreibt.

»Ähnliche Konstellation von Umständen«

Diese Vernetztheit verdeutlicht Scott anhand dreier bedeutsamer historischer »Momente«, die zeitgleich in weit auseinanderliegenden Weltregionen auszumachen seien und ähnliche Probleme betroffen hätten. Beispielsweise hätten sich um das Jahr 508 v. Chr. verschiedene antike Zivilisationen ein und dieselbe Frage gestellt: Wie soll eine Gesellschaft verfasst sein und wie der Umgang der Menschen in ihr aussehen? Während sich in Athen mit der Demokratie und in Rom mit der Republik zwei klassische Regierungsformen herausbildeten, begann Konfuzius im Reich der Mitte eine Philosophie zu entwickeln, die darauf abzielte, Politik und Ethik zu harmonisieren. »An allen drei Schauplätzen«, konstatiert der Autor, sei »der Wunsch nach einer politischen Veränderung durch eine ähnliche Konstellation von Umständen motiviert« gewesen. Mit solchen Allgemeinplätzen kann er seine These der Vernetztheit allerdings schwerlich belegen.

Später im Buch befasst sich Scott mit dem späten 3.  Jahrhundert v. Chr., das er als »eine unruhige Zeit« beschreibt, in der »einzelne Staaten in kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Beziehungen zueinander neu verhandelten und die Landkarte der antiken Welt neu gestalteten«. Im Fernen Osten gelang es dem chinesischen Kaiser Qin Shi Huangdi, im Abwehrkampf gegen Nomadenvölker das Reich der Mitte zu einen. Im Nahen Osten startete der junge Antiochos III. einen letzten Versuch, das Alexanderreich unter einem Herrscher zu konsolidieren. Und im Westen stieß Hannibals Feldzug in Italien eine Entwicklung an, die dazu führte, dass Rom die Herrschaft über die Mittelmeerwelt errang. Auch hier erschließt sich den Lesern nicht, wo der Zusammenhang zwischen diesen Prozessen liegt – jenseits einer bloßen zeitlichen Koinzidenz.

Schließlich widmet sich der Autor den religiösen Umwälzungen im 4. Jahrhundert n. Chr., als das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion wurde, der Buddhismus sich über einen Großteil des südlichen China ausbreitete und die in Nordindien herrschende Gupta-Dynastie eine tolerante Form des Hinduismus zur neuen Nationalreligion beförderte.

Scotts Buch eröffnet wertvolle Einblicke in die »Welten der Antike«. Seine globale Perspektive auf Ost und West vermittelt Einblicke darein, wie die antiken Menschen in Europa und Asien auf ihre jeweiligen Herausforderungen reagierten. Letztlich bleibt der Autor jedoch den Beweis für seine postulierte Interaktion der antiken Zivilisationen schuldig. Wie deren wechselseitiger Einfluss genau beschaffen gewesen sein soll, dazu bleibt das Buch frustrierend vage. Es ist leicht, von »pulsierenden Handelsrouten« oder einer »neu gewobenen organischen Einheit« (für das antike Eurasien) zu sprechen. Aber exakt solche Metaphern bedürfen einer Konkretisierung, um Bedeutung zu erlangen.

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