Welt der Ameisen
Ameisen erscheinen vielen als lästige Krabbeltiere, auf die sich – vor allem in Haus und Garten – gern verzichten lässt. Dabei führen viele Ameisenarten ein faszinierendes, vor unseren Blicken weitgehend verborgenes Leben, das sich zu entdeckten lohnt. Susanne Foitzik, Professorin für Evolutionsbiologie an der Universität Mainz und passionierte Ameisenforscherin, hat gemeinsam mit Sachbuchautor Olaf Fritsche eine Vielzahl an spannenden, bisweilen fast unglaublichen Geschichten aus dem Reich dieser sozialen Insekten zusammengetragen.
Das Buch vermittelt viel Wissenswertes über die Organisation eines Ameisenstaats, über die Rolle und den Lebenszyklus der verschiedenen Kasten – Arbeiterin, Königin, Männchen – aber auch darüber, welche Ökosysteme – und Sinnesleistungen die Tiere vollbringen. Wie erkennen die sozialen Insekten einander im dunklen Bau? Warum verzichtet ein Großteil der Individuen auf eigene Fortpflanzung? Worauf beruht der erstaunliche Orientierungssinn, mit dem die Tiere selbst in eintönigen Wüstenlandschaften über große Strecken hinweg zielsicher zum eigenen Nest zurückfinden? Und warum hat die Königin in ihrem eigenen Staat meist wenig zu sagen?
Ganze Landstriche kahl gefressen
Weiterhin stellen die Autoren die Lebensweise ausgewählter Spezies vor. Denn Ameise ist nicht gleich Ameise: Selbst bei uns gibt es 100 verschiedene Arten, weltweit sind es mindestens 16 000. Manche von ihnen halten sich Blattläuse als Nutztiere oder betreiben Ackerbau, indem sie Pilze als Nahrungsgrundlage kultivieren. Andere leben räuberisch wie die tropischen Treiberameisen, die ganze Landstriche leer fressen können und auch vor kleineren Wirbeltieren oder Vogelküken nicht Halt machen. Eine besondere Strategie nutzen Sklavenhalter, die auf eigene Arbeiterinnen verzichten und stattdessen fremde Völker überfallen, deren Nachwuchs rauben und für sich arbeiten lassen.
Spannend liest sich zudem, wie manche Ameisen ihre verwundeten Nestgenossen mitunter retten und medizinisch versorgen – abhängig von deren Überlebenschancen. Zu schwer verletzte Individuen werden nicht gerettet und opfern sich sogar selbst zum Wohl der Kolonie, indem sie auf einen Hilferuf verzichten. Am Ende beschäftigt sich das Autorenduo mit invasiven Arten, die im Extremfall ganze Ökosysteme umkrempeln. So hat sich die Argentinische Ameise (Linepithema humile) dermaßen weit ausgebreitet, dass jetzt ein Großteil der Mittelmeerküste von zwei Superkolonien beherrscht wird.
Das Buch überzeugt inhaltlich wie hinsichtlich seines Stils. Die Vermenschlichung der Insekten als Bauern, Sklavenhalter, Ärzte und Krankenschwestern wirkt nie deplatziert, und die regelmäßig eingestreuten Episoden aus dem Forscheralltag veranschaulichen, welche Strapazen Wissenschaftler bei Freilanduntersuchungen auf sich nehmen. Das Werk ist durchgehend bebildert mit ansprechenden Zeichnungen und großformatigen Farbfotos. So hält es, was der Klappentext verspricht: »Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie Ameisen mit anderen Augen sehen.«
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