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Buchkritik zu »Wenn Essen krank macht«

Viele Menschen sind allergisch gegen diese oder jene Substanz, die – natürlicherweise oder hinzugefügt – in jedem Essen vorkommt, vielleicht sogar zu den Nährstoffen zählt. Oder sie vertragen sie einfach nicht, weil ihr Körper sie nicht schnell genug abbauen kann. Zu den Problemstoffen gehören Natriumglutamat, Alkohol, biogene Amine, Salicylate, sogar Coffein und seine Verwandten, Schwefeldioxid und die vielen natürlichen Toxine, die von Mikroorganismen erzeugt werden. Der englische Chemiker John Emsley und Peter Fell, Mediziner und Direktor des Allergiezentrums Oxford, bieten dem Leser eine Tour d’Horizon zu diesem Thema. Sie ergänzen den Griff in ihren wohlgefüllten Zettelkasten mit zwei kurzen Kapiteln zu Zusatzstoffen und Verunreinigungen sowie zur gesunden Ernährung. Den journalistisch aufbereiteten Fließtext ergänzt ein Anhang "Kleiner Leitfaden der Ernährung". Hier findet sich der Stand der offiziellen britischen Lehrmeinung zur optimalen Versorgung mit Eiweiß, Kohlenhydraten, Fetten, Mineralstoffen (von Calcium bis Phosphat), Vitaminen und Spurenelementen und Ballaststoffen. Ein zweiter Anhang dokumentiert in Tabellen den Tyramin- und Salicylatgehalt (warum nur diese?) verschiedener Lebensmittel, und ein Glossar erläutert knapp siebzig teilweise wahllos ausgewählte Begriffe. Das Literaturverzeichnis ist um aktuelle deutschsprachige Bücher ergänzt, die – mit einigen zaghaften Ausnahmen – etablierte Lehrmeinungen beziehungsweise die Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung repräsentieren. Das Sachregister berücksichtigt leider nicht die zahlreichen Tabellen und führt deswegen oft nicht weiter, obwohl Informationen zum gesuchten Begriff im Buch stehen. Warum ziert ein aufgeschlagenes Ei mit grünem Dotter das Titelbild? Die Frage ist am Ende des Buches immer noch offen. Vielleicht ließe sich über den auf Seite 172 zitierten Joe Eggers (der über Lebensmittelfarbstoffe und Hyperaktivität geforscht hat) am ehesten eine Verbindung zum Ei konstruieren. Die Autoren beschreiben und erklären aus der Sicht des Wissenschaftlers, was man als Mensch beim Essen erleben kann (das Buch erscheint in der Reihe "Erlebnis Wissenschaft"). Der Grundtenor dabei: "Eine Vielzahl … Bücher warnt uns vor Gefahren, die angeblich von unserer Nahrung ausgehen. Die Auswirkungen vieler Zusätze, beispielsweise von Pestizidrückständen … oder Additiven … werden häufig stark übertrieben." Vor diesem Hintergrund arbeiten Emsley und Fell die Palette möglicher "Chemikalien" ab und versprechen, keinen Ratschlag zu geben, "der nicht durch medizinische oder naturwissenschaftliche Tatsachen untermauert werden kann". Zu den Folgen des Ess-Erlebnisses zählen Migräne, Schwindelgefühle, Erbrechen, Herzattacken, Hautausschläge und Asthma. Fallgeschichten wie "Rosemaries Mahlzeit in einem Bio-Restaurant" mit nachfolgendem Durchfall, heftigen und kolikartigen Bauchschmerzen und pochendem Kopfschmerz werden in liebevoller Ausführlichkeit in Kästen erzählt, damit der Leser daraus lernen kann, wie einfach solche Körperreaktionen zu verstehen und zu vermeiden sind. Nach zwölf Stunden hatte Rosemarie die Folgen einer Aminunverträglichkeit nachwirkungsfrei überstanden. Dem Konzept "Lernen am Beispiel" dienen auch Speisekarten (grafisch einfallslos präsentiert) sowie Tabellen mit Mengenangaben zu kritischen Stoffen und mit einigen in Deutschland eher unüblichen Gefahrenquellen wie Boursault (ein bei uns nicht einmal lexikonwürdiger französischer Weichkäse) und Stilton (ein Blauschimmelkäse) sowie eigenartige Menüvorschläge wie Obstsalat als Vorspeise. Bei diesen Geschichten und den wissenschaftlichen Erläuterungen oszilliert das Niveau des Textes in weiten Ausschlägen von trivial ("Das Rohr, dessen Enden Mund und After bilden, heißt Magen-Darm- oder Verdauungstrakt") bis oberflächlich vordiplomchemisch: "Biogene Amine … werden mit Hilfe spezifischer Enzyme aus Aminosäuren gebildet, indem die Säuregruppe (Carboxylgruppe) abgespalten wird." Hier wie überall vermisst der Leser die Visualisierung der Vorgänge, gleichgültig, ob es sich um den Abbau der Aminosäuren zur Carbonsäure handelt oder um die Formeln für Aspirin oder Salicylsäure. Die Übersetzung kommt mit weni-gen Ausnahmen flüssig und flott daher; lediglich der Begriff "Chemikalien" (das sind industriell hergestellte Stoffe) für körpereigene Substanzen führt an einigen Stellen zur Verwirrung. Auch bleibt dem unbedarften Leser unklar, warum sich polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe "PAH" abkürzen und warum "MSG" für Mononatriumglutamat steht. Wer kritische Stimmen zu unseren Lebensmitteln und ihren Inhaltsstoffen sucht, wird mit diesem Buch nicht bedient: "Das P450-System und ähnliche sind flexibel genug, um nahezu jedes unerwünschte Molekül, ob natürlich oder künstlich, zu zerstören." Mit dieser No-problem-Einstellung, die sich durch alle Seiten zieht, können die Autoren leicht den "Genuss an wohlschmeckenden Speisen und köstlichen Getränken erhalten oder zurückgeben". Immerhin bieten sie viele Informationen, die der Chemiker beim Stammtisch und der Oberstudienrat während der Toskana-Pauschalreise braucht, um sich schnell, sicher und kompetent in Szene zu setzen. Zusätzlich gibt es viele Hinweise, wie jeder das Aufgetischte auf mögliche Problemstoffe prüfen und sich darauf einstellen kann. So mag Essen wieder zum – angstfrei genießbaren – Erlebnis werden.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 06/01

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