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»Wegwerfware«: Wenn Tiere wie Ware behandelt werden

Hunde, Ratten, Papageien und andere Tiere, die unter Menschen gelitten haben, porträtiert die Fotografin Sara Affolter in einem Bildband.
Ein Golden Retriever heult

Zu Coronazeiten haben sich viele Menschen ein Haustier angeschafft, nach dem Ende der Lockdowns wurden dann auch mehr Tiere als sonst abgegeben, beschlagnahmt oder ausgesetzt. Erklärungen dazu gibt es viele: Manch einer sehnte sich in Zeiten von Social Distancing nach einem Gefährten und stellte im Nachhinein fest, dass die Urlaubsplanung mit einem Hund oder einer Katze schwierig wird. Andere haben den zum Teil hohen Aufwand und die Kosten, ein Tier zu halten, unterschätzt. Bei wieder anderen änderten sich die Lebensverhältnisse – etwa durch Krankheit oder Jobverlust –, so dass sie nicht mehr für ihren Schützling sorgen konnten.

Als »störend« empfundene Tiere landen oft in Heimen, auf Auffangstationen oder Gnadenhöfen, werden teilweise auch geschlachtet oder sich selbst überlassen – und damit in Sara Affolters Worten wie »Wegwerfware« behandelt. Die junge Schweizer Fotografin hat vernachlässigte, misshandelte und ausgemusterte Tiere fotografiert und ihre Porträts in einem Bildband veröffentlicht.

Wenige Worte für viele Leiden

Affolter, die für ihr Projekt mit dem Solothurner Kulturförderpreis ausgezeichnet wurde, bleibt in ihrem Buch als kreativer Kopf im Hintergrund. Den Platz überlässt sie ihren Motiven, was bereits der Anfang des Bildbands verdeutlicht. Fast wie auf einem Mahnmal werden dort die Namen der mehr als 40 Tiere aufgelistet, von deren »Lebens- und Leidensgeschichten« die Künstlerin erzählt.

So erfahren die Leserinnen und Leser beispielsweise von Kater Olaf, der im Alter von etwa sechs Wochen über eine Kleinanzeigenplattform verkauft wurde. Wenige Tage später gab ihn der überforderte Besitzer in ein Katzenheim. Bartagame Bahati wurde indes abgemagert, unterkühlt und von Parasiten befallen auf einer Reptilienbörse im Gebüsch gefunden. Ihre Herkunft blieb ungeklärt.

Affolter berichtet knapp von den Schicksalen der Tiere. Manchmal steht sogar bloß der Name des abgebildeten Tiers in roter Schrift auf einer schwarzen Seite. So bleibt es den Leserinnen und Lesern überlassen, sich auszumalen, was etwa dem stark gerupften Gelbbrustara Ruppie widerfahren ist, welches der gezeigten Tiere einen Strick um den Hals trug oder sein Leben in einem engen Terrarium fristete. Denn auch diese Objekte stellt die Künstlerin ohne weiteren Kommentar in der Mitte des Bands dar und erzeugt damit eine Wirkung.

Einige der Bilder und Geschichten könnten manche Leserinnen und Leser empören; nachdenklich stimmen sie vermutlich viele. Wie auch der Schluss des Buchs: »Wegwerfware« endet mit einem Epilog der Expeditionsfotografin und -filmerin Ulla Lohmann, die das Thema in einen größeren Kontext setzt. In Deutschland und der Schweiz gelten Tiere nicht als Rechtsträger, Menschen besitzen und nutzen sie auf verschiedene Weisen: zum Nahrungserwerb ebenso wie als unfreiwillige Zuhörer, Trostspender oder Weggefährten.

Trotz der zahlreichen Dienstleistungen mangelt es Lohmann zufolge noch oft an Respekt und Dankbarkeit gegenüber Tieren. Stattdessen kommt es tatsächlich immer wieder vor, dass Tiere unüberlegt gekauft und dann beabsichtigt oder unbeabsichtigt Leid erfahren – und das nicht nur in den industrialisierten westlichen Gesellschaften, auf die sich »Wegwerfware« bezieht, sondern auch in anderen Ländern wie beispielsweise China oder Japan.

Affolters Bildband kann vielleicht nichts daran ändern, dass dies auch weiterhin passiert und die Verantwortung für manche Tiere an Heimen, Auffangstationen, Tierärzten und anderen engagierten Menschen hängen bleibt. Aber er macht es schwieriger, Olaf, Bahati und ihre Leidensgenossen als Ware zu betrachten und zu vergessen.

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