»Wenn uns Wissenschaft retten soll«: Kann uns Wissenschaft retten?
Mit dem vorliegenden Buch versucht der Astrophysiker Martin Rees die Frage, ob Wissenschaft uns retten kann, zu beantworten. Ohne allzu viel zu verraten: Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Der Autor ist Royal Society Research Professor in Cambridge und Königlich-Britischer Hofastronom und war über viele Jahre in wichtigen einflussreichen Organisationen tätig, und er kennt den britischen Wissenschaftsbetrieb sowie seine internationalen Verknüpfungen seit Jahrzehnten.
Das Buch besteht aus vier Teilen, die ein weites Feld abdecken. In dem Kapitel »Globale Mega-Herausforderungen« geht es um aktuelle globale Probleme wie Bevölkerungswachstum und die Klima- und Energiekrise sowie die ethischen Fragen der Biotechnologie. Von ihrer Erforschung und Nutzung für die Medizin und Gesundheit, Ernährung und Landwirtschaft sowie künstliche Intelligenz und soziale Medien erwarten wir wissenschaftlich fundierte Vorschläge für die Lösung vieler Probleme.
Die »Begegnung mit Wissenschaftlern« ist ein kurzer historischer Abriss über die Entwicklung der Forschung. Wissenschaftler sind Kritiker neuer Ideen, die etwas Unerwartetes oder Originelles beitragen wie beispielsweise Erkenntnisse über den Klimawandel, die Bekämpfung von Pandemien oder den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Eine objektive Überprüfung und harte Fakten stehen dabei im Mittelpunkt. Mit dem Schlagwort »Wissenschaft ist ›organisierter Skeptizismus‹« fasst Rees das wissenschaftliche Vorgehen zusammen. Alle Theorien sind nur vorläufig, und sie müssen neu bewertet werden, sobald neue Daten und Erkenntnisse vorliegen. Dabei kommt dem Wissenschaftsjournalismus die zentrale Aufgabe zu, darzustellen, ob ein Standpunkt von der Mehrheit der Wissenschaftler durch Fakten unterstützt oder bestritten wird.
Auf knapp 50 Seiten wird unter dem Titel »Die Wissenschaft kommt aus dem Labor heraus« geschildert, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis umgesetzt werden können. Der Autor betont die Bedeutung der Anwendungsaspekte, denn es gab wohl noch nie eine Epoche, in der es für die Menschheit wichtiger war, auf die Wissenschaft zu hören. Wir verfügen über viele Kenntnisse und Technologien, die uns helfen können, die künftige Entwicklung unseres Planeten zu bestimmen. Die Entscheidungen darüber, wie diese angewendet werden, müssen das Ergebnis einer breiten öffentlichen Diskussion sein. Dies kann nach Rees nur gelingen, wenn die Wissenschaft Teil unserer gemeinsamen Kultur wird.
Die Voraussetzungen für ein effizientes wissenschaftliches Arbeiten beschreibt Rees als »Das Beste aus der Wissenschaft herausholen«. Trotz der Unterschiede zwischen der britischen Universitäts- und Forschungslandschaft und anderen Ländern gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten. Die Kreativität von Forschern sollte nicht durch strukturelle Bedingungen erschwert werden. Vor allem viele jüngere Wissenschaftler scheinen mehr mit Mittelkürzungen, dem Schreiben von Anträgen und der Unsicherheit ihres Arbeitsplatzes als mit Forschung und Lehre beschäftigt zu sein. Die Erfassung immer detaillierterer Leistungsindikatoren zur Quantifizierung des wissenschaftlichen Outputs ist zwar gut gemeint, bewirkt jedoch oft das Gegenteil, denn es behindert eine optimale professionelle Praxis. Der Autor sieht »die Gefahr, dass die Konzentration auf das, was messbar ist und in Ranglisten auftaucht, die Politik zum Nachteil langfristiger Vorteile verzerrt.«
Rees fordert, dass das Universitätsstudium wesentlich flexibler als bisher gestaltet werden solle. Auch die Möglichkeit, eine Hochschulausbildung abzubrechen, um sie später wieder aufzunehmen, könnte langfristig helfen. Bildung kann jedem ermöglichen, unsere komplexe Welt zumindest in Umrissen zu verstehen. Darüber hinaus aber erfordern die globalen Probleme auch eine globale Zusammenarbeit.
Dieses Buch ist flüssig geschrieben und interessant zu lesen. Es ist jedem zu empfehlen, der sich mit unseren gegenwärtigen Problemen ernsthaft und vorurteilsfrei aus Sicht der Wissenschaften beschäftigen möchte.
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