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Freundschaftsparadox und Steuererklärung

Dieses Buch geht häufigen Fehleinschätzungen nach, denen wir im Alltag aufsitzen, und zeigt ihren Zusammenhang zur Mathematik auf. Der Autor ist Professor für mathematische Stochastik an der Universität Stuttgart und war einst jüngster Professor der Bundesrepublik Deutschland. Er hat bereits einige populärwissenschaftliche Bücher verfasst und bloggt regelmäßig für die Wochenzeitung "Die Zeit" unter dem Titel "Math up your life".

In dem überproportional langen ersten Kapitel geht er sehr detailliert auf Mittelwert und Durchschnittsbildung ein. Er erklärt Konzepte wie das arithmetische, geometrische, harmonische und das Eigengewichtsmittel, und zeigt anhand gut nachvollziehbarer Beispiele, wo sie im Alltag eine Rolle spielen. Etwa beim so genannten Freundschaftsparadoxon – dem Umstand, dass unsere Freunde im Schnitt mehr Freunde haben als wir selbst. Das ist auf Eigenschaften von Netzwerken zurückzuführen: Menschen mit vielen Kontakten gehören mit größerer Wahrscheinlichkeit zu unserem Freundeskreis als Einzelgänger. Diese Verzerrung der Durchschnittsbildung lässt sich durch eine Betrachtung mit dem harmonischen Mittel auflösen.

Wenn Entlastungsstraßen belasten

Das zweite Kapitel erklärt den Grund, wieso weniger Möglichkeiten oft besser sind, wenn wir Entscheidungen treffen müssen. Hesse widmet sich dabei dem so genannten Braess-Paradoxon: In bestimmten Verkehrssituationen führt der Bau einer zusätzlichen Straße dazu, dass sich bei gleich bleibendem Verkehrsaufkommen die Fahrtdauer für alle Autofahrer erhöht statt erniedrigt. Und das, obwohl sämtliche Verkehrsteilnehmer die für sie schnellste Route wählen und hier nach dem Bau der neuen Straße mehr Möglichkeiten haben als vorher. Dieser Umstand verdeutlicht, dass der vermeintlich verkehrsentlastende Bau einer neuen Trasse mitunter für alle Autofahrer Verschlechterungen mit sich bringt.

Steuerfahnder, die auf Ziffern starren

In den letzten beiden Kapiteln geht es um Fehler und Erkenntnisse, die bei Analysen von Datenmengen auftauchen. Beispielsweise beschreibt Hesse einen Weg, wie Finanzämter Steuererklärungen auf Korrektheit prüfen können, indem sie die Anfangsziffern der angegebenen Geldbeträge analysieren. Er erklärt die Benford-Verteilung, die etwas über die zu erwartende Häufigkeit dieser Anfangsziffern aussagt. Die Zahlen 1, 2 und 3 kommen demnach etwa genauso oft vor wie 4 bis 9. Hesse steigt hier zum Teil tief in die Mathematik ein, schafft es aber, die zentralen Aspekte für den Leser nachvollziehbar zu erklären.

Der Autor pflegt durch das gesamte Buch hindurch einen frischen Schreibstil, wobei er Anglizismen nicht scheut. Es gelingt ihm, Fehler aufzuzeigen, die uns im Leben häufig passieren, und deren mathematischen Hintergrund auszuleuchten. Allerdings habe ich von dem Werk mehr Alltagsbezogenheit erwartet. Seltsam auch, dass der Autor eine komplette Seite der Herkunft des Worts "Fehler" widmet. Nichtsdestoweniger ist das Werk interessant und erhellend und lässt sich bereits mit rudimentärer mathematischer Schulbildung verstehen. Insofern eignet es sich durchaus auch als Urlaubslektüre.

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