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»Wer schützt unsere Kinder?«: Kindheit im Zeitalter der KI

Künstliche Intelligenz (KI) birgt Chancen und Risiken, über die Kinder, Eltern und Lehrkräfte unbedingt aufgeklärt werden müssen – so das Plädoyer von Silke Müller.

Wie kann man Kinder auf eine Welt vorbereiten, in der künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielen wird? Auf eine Welt, in der es schwieriger werden dürfte, Fakten von Fiktion zu unterscheiden? Auf eine Welt, in der auch viele Erwachsene mit den rasanten Entwicklungen nicht mithalten können? Das alles sind Fragen, welche die niedersächsische Schulleiterin, Digitalbotschafterin und Autorin Silke Müller in ihrem Buch aufwirft.

Nach ihrem Bestseller »Wir verlieren unsere Kinder«, in dem sie die Nutzung digitaler Medien in den Vordergrund gestellt hat, widmet sie sich nun ganz dem Thema KI. Die Autorin hat sich zum Ziel gesetzt, künstliche Intelligenz »in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und ohne komplizierte Erklärungen für jeden Menschen, für jede Familie verständlich zu machen«. Sie lädt dazu ein, neugierig zu sein, von jener Technologie gestützte Programme auszuprobieren und ganz ungezwungen am Küchentisch darüber zu plaudern. Ebensolche gut verständlichen Gespräche hat sie mit Personen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Sphären geführt: von Jungunternehmern über Vertreterinnen von Initiativen bis hin zu älteren Menschen. Ein Bonus: Sie bietet die Audio- und Videoaufnahmen der Interviews über QR-Codes in voller Länge zum Nachhören bzw. -sehen an.

Müller steht dem Thema KI – trotz ihrer Einladung zur Offenheit und regelmäßiger Verweise auf mögliche Vorteile – insgesamt doch eher kritisch gegenüber. Sie mache sich sehr große Sorgen, sagt sie, denn KI potenziere die Gefahren, die von sozialen Netzwerken ausgingen, und die Kinder würden damit allein gelassen – so, wie das auch schon in puncto soziale Netzwerke passiert sei. Zu vielen Formulierungen kann man sich den erhobenen Zeigefinger der Schulleiterin sehr gut vorstellen. Teilweise kann man ihre Sorgen nachvollziehen, vor allem, wenn man zum ersten Mal von diversen KI-Anwendungen hört. Zu den sicherlich sehr beängstigenden Entwicklungen zählen etwa Deepfake-Videos, mit denen gezielt Falschinformationen verbreitet werden; oder Filter, mithilfe derer sich Erwachsene in Teenager verwandeln und sogenanntes Cybergrooming betreiben können: Sie versuchen, das Vertrauen von Kindern zu gewinnen, um sie im schlimmsten Fall zu missbrauchen.

Verantwortung wird abgewälzt

In anderen Bereichen ist die beständig artikulierte Sorge Müllers jedoch etwas ermüdend. Auch die dazu befragten Expertinnen und Experten betonen, dass Angst keine Basis für den angemessenen Umgang mit künstlicher Intelligenz sei. Im Resümee der Autorin überwiegt immer noch ihre Skepsis: »Geht es also am Ende darum, sich mit künstlicher Intelligenz zunächst einmal neugierig und kreativ auseinanderzusetzen, bevor man wieder beginnt, vieles zu verteufeln und Ängste zu schüren? Ich habe für mich darauf die Antwort gefunden, dass beide Sichtweisen im Grunde untrennbar zusammengehören.«

Dies mag auch darin gründen, dass ein grundlegendes Problem bislang noch nicht gelöst wurde: Wer ist zuständig dafür, durch KI hervorgerufene Risiken einzudämmen und Kinder darüber aufzuklären, welchen Gefahren sie sich im Netz aussetzen könnten? Der Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger, den Müller interviewt hat, beobachtet, dass diese Verantwortung bevorzugt auf andere abgewälzt wird: Eltern sähen Schule und Polizei in der Pflicht, Schulen hingegen Eltern und Plattformbetreiber, und Letztere verwiesen wiederum auf ihre AGB, denen zufolge Kinder die Netzwerke und Programme gar nicht nutzen dürfen.

Besonders kritisch blickt die Autorin auf ihr eigenes Berufsfeld. Das System Schule funktioniere nicht mehr, es sei gar gegen die Wand gefahren, und außerdem hätten sich die Anforderungen an den Lehrberuf komplett geändert. Zudem erschwere der Föderalismus eine einheitliche Vorgehensweise. Ihre abschließenden Appelle richtet Müller dann nicht nur an Lehrkräfte, sondern auch an die Politik sowie an Familien und deren Freunde. Sie alle könnten dazu beitragen, Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz zu ermöglichen. Sicherlich kein einfaches Unterfangen; Müller legt aber mit ihren Ausführungen einen guten Grundstein und präsentiert viele Ideen dazu, wie die oft vorherrschende Ahnungslosigkeit in Bezug auf diese Technologie durchbrochen werden kann.

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