Direkt zum Inhalt

»Wettlauf um die Zukunft«: Können Quantencomputer wirklich alles?

Wer die Welt der Quanten verstehen will, findet hier eine passende Lektüre. Michio Kakus Optimismus im Hinblick auf Quantencomputer scheint aber etwas übertrieben.
Mehrere Quantencomputer

Wenn es nach der Quantentheorie ginge, könnte sogar Elvis Presley noch leben – wenngleich in einem anderen Universum. Mit Beispielen wie diesem bringt der Autor Michio Kaku die Gesetze der Quantenphysik auch Laien näher. Kaku ist Professor für Theoretische Physik in Kalifornien und forscht zur Stringtheorie. Bekannt wurde er zudem durch seine eingängigen Dokumentarfilme und Bücher zu Themen der Physik wie »Die Gottesformel«.

Auf allgemein verständliche Art erzählt Kaku die Geschichte der Computertechnik von den Anfängen mit analogen Rechnern von Babbage und Lovelace über den Turing-Computer bis hin zum heutigen digitalen Rechner – um dann die zukünftigen Quantencomputer zu skizzieren. Anhand von Alltagsbeispielen zeigt er, wie Quantencomputer ganz neue Dimensionen erschließen könnten. Da ist etwa die Quantenmaus, die in einem fiktiven Labyrinth nicht nur den Weg hinaus sucht, sondern gleichzeitig alle möglichen Wege kennt oder »erschnüffelt«, wie Kaku schreibt, um dann den besten auszuwählen. Er erklärt, wie in der Quantenwelt Objekte gleichzeitig in zwei Zuständen existieren und über räumliche Entfernung hinweg miteinander verbunden – also verschränkt – sein können. Wie Teilchen durch Materie hindurchwandern (»tunneln«) können oder eben auch Paralleluniversen möglich sind – jedenfalls vielleicht, wie der Autor dann doch einschränkt.

Außerdem beschreibt Kaku die bisherigen Ergebnisse beim Bau von Quantencomputern – und deren Schwierigkeiten. Er schildert, wie unterschiedlich diese aufgebaut sein können, und stellt die Unternehmen vor, die sich im Wettrennen um den leistungsfähigsten Quantencomputer befinden. Denn längst mischen dabei nicht nur IT-Unternehmen wie IBM, Google oder Intel mit, sondern auch Automobil- und Pharmafirmen.

Quantencomputer als Antwort auf (fast) alle Herausforderungen

Der Autor ist überzeugt: Wenn es einmal einen funktionierenden Quantencomputer gibt, dann kann der fast alles. Die Probleme, die er laut Kaku lösen könnte, betreffen praktisch alle wichtigen Themen der Gegenwart: den Klimawandel und die Energieversorgung der Zukunft, die Ernährung der Menschheit und ihre Gesundheit, etwa durch neue Antibiotika sowie Medikamente gegen Parkinson oder andere bisher unheilbare Krankheiten. Auch eine verbesserte künstliche Intelligenz könne der Quantencomputer hervorbringen, die digitale Speicherung des menschlichen Gehirns ermöglichen und sogar die Geheimnisse des Lebens, der Unsterblichkeit und des Universums lüften. Und noch einiges mehr. Und wie einst der römische Staatsmann Cato der Ältere bei jeder Gelegenheit ausrief: »Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss«, so beendet Kaku fast jedes Kapitel mit »und dazu braucht man Quantencomputer«.

Dabei streift er fast alle naturwissenschaftlichen Bereiche: Biologie, Chemie, Physik, Astronomie, Gentechnik und andere. Er erklärt die Entstehung des Lebens auf der Erde, die astronomischen Wissenschaften, die Berechnung der Planetenbewegungen, das Haber-Bosch-Verfahren, die Schrödingergleichung oder die Nitrogenase. Bei dieser Fülle an Themen unterlaufen ihm auch Ungenauigkeiten. Denn auch Kernkraftwerke erzeugen CO₂. Und so verwerflich die Taten von Fritz Haber im Ersten Weltkrieg auch gewesen sein mögen, als er den Einsatz von Chemiewaffen vorantrieb: Der 1934 verstorbene Chemiker hatte jedenfalls nicht Zyklon B in der Form perfektioniert, in der es später in den Konzentrationslagern eingesetzt wurde, um »viele seiner eigenen Verwandten« umzubringen. Mächtig schräg klingt Kakus Begeisterung für die Quantenwelt im Zusammenhang mit dem Abwurf von Nuklearwaffen: »In den tragischen Nachwehen des Krieges begannen die Menschen, die enorme Macht der Quanten zu erkennen, die am Himmel über Hiroshima und Nagasaki entfesselt wurde. Plötzlich war die Quantenmechanik nicht mehr nur ein Spielfeld für Physiker, sondern etwas, das die Geheimnisse des Universums entschlüsseln und das Schicksal der Menschheit bestimmen konnte.« Aus der »Asche des Krieges«, so Kaku, »erhob« sich dann eine Quantenerfindung: der Transistor.

Dennoch – wer die komplizierte Quantenwelt endlich einmal verstehen will, findet hier eine passende Lektüre. Der Optimismus von Kaku wirkt allerdings oft übertrieben, denn noch braucht es Jahrzehnte, bis erste Erfolge erzielt und die erheblichen technischen Probleme gelöst sein werden.

Und auch die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo einen lebenden Elvis Presley gibt, ist wohl doch eher winzig. Die Wahrscheinlichkeit, dass Quantencomputer in einigen Jahrzehnten funktionieren, ist da schon etwas größer. Aber braucht man sie wirklich, um all die von Kaku angeführten Probleme zu lösen? Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den USA ließen sich vielleicht schneller durch eine gesündere Lebensweise reduzieren, der Krebsbekämpfung könnte mehr Umweltschutz dienen, Kriege könnten durch Friedenspolitik verhindert und der Klimawandel durch eine andere Art zu leben eingedämmt werden.

Kennen Sie schon …

Sterne und Weltraum – Schwarze Löcher - Gibt es Singularitäten doch nicht?

Der Mathematiker Roy Kerr fand einen vermeintlichen Fehler in der Beschreibung schwarzer Löcher durch Roger Penrose und Stephen Hawking. Lesen Sie, weshalb seine Argumente nicht stichhaltig sind. Der Asteroid Apophis wird sich im April 2029 der Erde dicht annähern. Die ESA plant mit ihrer Mission RAMSES den etwa 350 Meter großen Gesteinsbrocken zu begleiten. Wir stellen die Initiative „Astronomie als Kickstarter“ in Schulen vor und komplettieren unsere Serie „Der Weg zum Deep-Sky-Foto“ anhand konkreter Arbeitsschritte in Bildbearbeitungsprogrammen.

Spektrum - Die Woche – Wie Psychopharmaka das Gehirn verändern

Wie wirken Antidepressiva, Neuroleptika und Psychostimulanzien auf das Gehirn? Psychopharmaka bringen schnelle Linderung bei psychischen Störungen, doch die langfristigen Folgen auf unser Denkorgan sind noch nicht ausreichend erforscht. Außerdem: Süßwasser unter dem Meer. Ein Weg aus der Wassernot?

Spektrum Kompakt – Quantencomputer - Neue Erkenntnisse und Verfahren

Diskutiert und selten gesehen: der Quantencomputer verspricht Fortschritt von Technik bis Medizin - doch stecken seine Berechnungen noch in den Kinderschuhen. Wie funktionieren die futuristischen Rechner und weshalb genügt der heimische PC ihren Zwecken teilweise nicht?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.