Zwischen Mathematik und Philosophie
Der amerikanische Philosoph und Journalist Jim Holt ist unter anderem für sein Buch »Gibt es alles oder nichts?« (2014) bekannt geworden. Sein neuestes (englischsprachiges) Werk ist eine ausgewählte Sammlung seiner Essays der zurückliegenden zwei Jahrzehnte. Sie alle befassen sich mit außergewöhnlichen Wissenschaftlern, deren tiefgründigen und schönen Ideen sowie den philosophischen Fragen dahinter.
Auf den ersten 15 Seiten widmet sich Holt dem Physiker Albert Einstein sowie dem Mathematiker Kurt Gödel (1906-1978), die zusammen auf dem Coverbild zu sehen sind. Holt skizziert kurz ihre wissenschaftlichen Erfolge, ohne allzu sehr in die Tiefe zu gehen. Er erwähnt Einsteins »Wunderjahr« 1905, in dem dieser den Fotoeffekt und die spezielle Relativitätstheorie beschrieb, lässt aber die allgemeine Relativitätstheorie fast gänzlich unerwähnt. Holt geht auf einige persönliche Züge der zwei ungewöhnlichen Freunde ein und arbeitet ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Einstein beschreibt er als weltoffenen und großteils lebensfrohen Menschen, wohingegen er Gödel als introvertiert und paranoid darstellt.
Zu Tode duelliert
Die übrigen Essays befassen sich mit zahlreichen Themen von Neurowissenschaft bis Mathematik-Kognition, von den Anfängen der modernen Statistik bis zu aktueller abstrakter Mathematik. Der Autor stellt Wissenschaftler vor, die durchweg ein außergewöhnliches Leben führten. So starb Évariste Galois (1811-1832), einer der Begründer der Gruppentheorie, im Alter von 20 Jahren an den Folgen eines Pistolenduells. In den letzten Kapiteln behandelt Holt vermehrt philosophische Fragen. Er erklärt etwa die Entwicklung der Namenstheorie durch Saul Kripke und berichtet darüber, dass dessen Ideen angeblich ursprünglich von der Philosophin Ruth Marcus stammen.
Für jeden Abschnitt gibt Holt Literaturempfehlungen an, allerdings fehlen die genauen Quellen für einige Aussagen und beschriebenen Versuche. Der Aufbau des Buchs erscheint nicht immer nachvollziehbar, die Kapitel wirken oft wahllos aneinandergereiht. Das äußert sich unter anderem in vermeidbaren Wiederholungen; so wird Gödel in mehreren Kapiteln neu eingeführt, obwohl dies bereits am Anfang des Buchs geschehen ist.
Das Werk deckt ein breites Spektrum an Themen ab. Trotz deren überwiegend abstrakter Natur gelingt es Holt, sie verständlich und auf den Punkt zu vermitteln. Da die Abschnitte jeweils nur etwa 15 Seiten umfassen, kann der Autor die einschlägigen komplexen mathematischen Konzepte lediglich oberflächlich behandeln, weshalb die Leser mehrfach mit offenen Fragen zurückbleiben.
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