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»Wie der Mensch die Erde verändert«: Keine schöne neue Welt

Bernhard Lang zeigt mit spektakulären Luftbildern, wie der Mensch das Gesicht der Erde verändert. Es sind Fotokunstwerke, die erschreckende Wahrheiten offenbaren.
Satellitenbild der Erde, das den Atlantik in tiefem Blau zwischen den Kontinenten Nord- und Südamerika sowie Afrika und Europa zeigt

Wenn Bernhard Lang mit dem Sportflugzeug unterwegs ist, hält er seine Kamera immer senkrecht nach unten. Er nutzt keine Drohnen, sondern will aus 3000 Metern Höhe mit eigenen Augen das Gesicht der Erde sehen. Er lichtet deren Oberfläche da ab, wo der Mensch sie gestaltet hat. Oder vielmehr zerstört hat. Die ursprüngliche Natur, die Schönheit unberührter Landschaften, ist eher nicht in diesem Buch zu finden. Da sich der Fotograf auch als Künstler versteht, erscheint die brutale Zerstörung in kunstvollen Aufnahmen voller Farben, Symmetrien und Formen. Vielleicht würde ein Außerirdischer nur die Schönheit der Aufnahmen darin sehen. Doch die monotonen Spiegelflächen von Solarparks, die schier unzähligen, in Reih und Glied stehenden rechteckigen Schiffscontainer, die giftig blaugrün schillernden Klärbecken, die Chemiefabrik in Ludwigshafen, der tiefblaue Kupfersee am Grunde eines Kupfertagebaus oder auch die riesigen dunkelroten Tulpenfelder in den Niederlanden mögen manch einen Leser vielleicht erschrecken – wegen des Ausmaßes, in dem der Mensch die Welt offensichtlich inzwischen verändert hat.

Die Geschichten, die Bernhard Lang, mehrfach prämierter Fotograf und Künstler, mit seinen Bildern erzählt, ergänzt Christof Mauch, Direktor des Rachel Carson Center für Umwelt und Gesellschaft sowie Professor für Amerikanische Kulturgeschichte in München, mit informativen Texten. »Wer sind wir? Wo kommen wir her? Was haben die Menschen aus dem Planeten gemacht, dessen Biosphäre tausendmal älter ist als die menschliche Spezies?«, fragt Mauch gleich zu Anfang des Buchs. Durch die Kombination von fotografischem Blick und wissenschaftlicher Erklärung möchten die Autoren ihren Lesern eine neue Sichtweise eröffnen und visuelles Verstehen vermitteln. So berichtet Umweltexperte Mauch vom Anthropozän, von Fressanlagen beziehungsweise der Rindermast im sogenannten Wilden Westen oder von den Plastikwelten, die in Spanien für die Erdbeerernte angelegt werden. Er liefert Informationen zu der Braunkohlegrube in Hambach, den Abwrackwerften für Schiffe, den brennenden Slums in Manila und dem toxisch wirkenden Abbau von Ölschiefer in Estland.

Der Schein der Idyllen trügt

Sind sie schön, diese wahrhaft künstlerischen Luftaufnahmen einer zerstörten Welt? Vielleicht ist das nicht die richtige Frage. Das Buch eröffnet den Blick auf das große Ganze und erinnert uns daran, dass wir nicht nur den eigenen kleinen blühenden Garten mit den brummenden Hummeln im Insektenhaus aus dem Baumarkt betrachten sollten oder die Bäume auf einem Spaziergang. Wir sollten uns auch vor Augen führen, dass die Erde – im Großen und Ganzen – zerstört aussieht. »Augen auf!«, ruft dieses Buch. Wie die Autoren selbst anmerken, gibt es bereits andere ähnliche Bildbände. Doch ihre spezielle Kombination von Schauen und Lernen funktioniert hervorragend – auch aufgrund der gut geschriebenen und fachlich fundierten Texte von Christof Mauch.

Am Ende des Bildbands zeigen die Autoren aber doch noch etwas von der ursprünglichen Natur. Doch auch deren Schönheit ist nicht ungetrübt. Meist folgt ein »Aber«. Da ist der wunderschön gelb und rot leuchtende Blätterwald im Bayrischen Wald – in dem wir eine graue Schneise abgestorbener Bäume ausmachen; die Urtümlichkeit einiger Küsten der Ostfriesischen Inseln – die aber bald vom steigenden Meeresspiegel verschlungen werden dürften; Seehunde, die sich – noch – auf einer Sandbank sonnen können; oder die – noch – geschützten surrealen Moorlandschaften des Lahemaa-Nationalparks in Estland.

Lang und Mauch sprechen hier sogar von »Hoffnungsgeschichten«, um dann ein abstraktes und schiefes Bild von Prometheus zu bemühen – als Sinnbild für die Risiken, die der Mensch für ein »besseres Leben« eingegangen ist. Und sie verweisen auf Pandora, die so viele Übel über die Menschheit gebracht hat. Die Autoren merken an, dass, als Pandora ihre Büchse schloss, noch etwas darin geblieben sein soll: die Hoffnung. Die Hoffnungsgeschichten am Ende des Buches, die geschützten Ressorts oder die Nationalparks – sie nehmen aber nicht nur im Buch, sondern auch in der Realität nur noch wenig Raum ein. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es. Vielleicht helfen der unverstellte Blick von oben und die hervorragenden Texte, die den Zustand der Welt abbilden, die Büchse der Pandora noch einmal zu öffnen.

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