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»Wie die Welt wirklich funktioniert« : Für eine realistische Klimadebatte

Der renommierte Energieexperte Vaclav Smil erkennt die weltweite Klimaerwärmung an, wendet sich aber gegen radikale Ausstiegsszenarien aus fossilen Brennstoffen – und er tut dies wissenschaftlich fundiert. Ein Plädoyer für einen differenzierten Umgang mit einer der wichtigsten Gegenwartsfragen.
Ein Boot liegt auf einem rissigen, ausgetrockneten See

Die »Generation«, die annimmt, als »letzte« noch etwas gegen eine Klimakatastrophe tun zu können, sieht sich darin vielfach bestärkt: durch wissenschaftliche Prognosen, durch apokalyptische Warnungen aus der Politik und durch zahlreiche Medien, die mit schlechten Nachrichten gute Geschäfte machen. Einer der führenden US-Wissenschaftler für Umwelt und Energie, Vaclav Smil, lässt sich davon nicht beeindrucken. Klimamodelle sind zwar hochkomplex und arbeiten mit ungeheuren Datenmengen. Sichere Vorhersagen leisten sie nicht – allein schon deshalb, weil sie das, was sich zukünftig abspielen wird, nicht vorauszusehen vermögen.

Freilich dementiert Smil die weltweite Klimaerwärmung durch von der Zivilisation verursachte klimarelevante Emissionen keineswegs. Und er bestreitet auch nicht, dass sich daraus große Gefahren für die Biosphäre ergeben. Auch er fordert, dass große Anstrengungen unternommen werden, um die Treibhausgasemissionen zu senken. Naheliegend sind für ihn dabei architektonische und verkehrstechnische Energieeinsparungen oder eine Reduktion der Verschwendung von Lebensmitteln und des Fleischkonsums – wobei dies ohne negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen geschehen müsse, weil sich dies ansonsten politisch nicht durchsetzen lasse.

Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen funktioniert eher nicht, wenn er den Lebensstandard gefährdet

Gleichzeitig wendet er sich gegen radikale Ausstiegsszenarien aus fossilen Brennstoffen, aus der industrialisierten Landwirtschaft, aus der heutigen Verkehrsinfrastruktur und der modernen Bauweise. Denn für solche Szenarien fehlen die erforderlichen Technologien, mit denen man verhindern könne, dass es dabei zu einem Niedergang des erreichten Lebensstandards komme, den viele arme Länder ja auch überhaupt erst noch erreichen möchten, wie es zum Beispiel China seit Jahrzehnten sehr erfolgreich vorführt. Soweit solche Technologien zur Verfügung stehen, würde ein schneller Umstieg auf diese ungeheure Kosten verursachen. Das könnten sich die Staaten weltweit nicht leisten, ohne viele andere gleichfalls drängende Probleme zu vernachlässigen.

Worauf Smil sich bei dieser Einschätzung stützt, ist eine beeindruckende Darstellung der Grundlagen der modernen Zivilisation, die weite Teile des Buches durchzieht. Ohne die industrialisierte Landwirtschaft ließe sich die Menschheit nicht ernähren. Diese beruht aber auf fossilen Energien, die zur Produktion stickstoffhaltiger Düngemittel, makrochemischer Wirkstoffe wie Herbiziden, Insektiziden oder Fungiziden verwendet werden. Sie basiert auf Maschinen, die deren präzisen Einsatz erlauben. Überhaupt bedarf sie landwirtschaftlicher Gerätschaften wie auch der Materialien für Gewächshäuser, nicht zuletzt des dazu nötigen Plastiks und natürlich auch des Vertriebs der Lebensmittel: Damit ein Kilo Tomaten in der Küche ankommt, bedarf es eines guten halben Liters Dieseltreibstoff.

Unverzichtbar sind bis auf Weiteres fossile Brennstoffe auch in der Stahl- und Zementproduktion und im weltweiten Verkehrswesen. Auf diesen vier Grundpfeilern ruht die moderne Zivilisation. Smil schreibt: »Der durchschnittliche Erdbewohner hat heute rund 700 Mal so viel nutzbare Energie zur Verfügung wie seine Vorfahren zu Beginn des 19. Jahrhunderts (. . .) In physische Arbeit umgerechnet, ist es so, als ob jeder von uns 60 erwachsene Personen hätte, die rund um die Uhr für ihn arbeiten.«

Horrorszenarien für einen durch Hitze verbrennenden Planeten sind laut Smil ebenso wenig zielführend wie überzogene Hoffnungen auf eine alles lösende künstliche Intelligenz, die der Autor ausgiebig diskutiert. Die Menschheit wird noch Jahrzehnte ihre Lebenswelt auf der Grundlage von Stickstoff, Stahl, Zement und Verkehr gestalten müssen. So »ist die Angebundenheit unserer Zivilisation an fossile Brennstoffe so tiefgreifend, dass der Übergang zur nächsten Stufe erheblich länger dauern wird, als die meisten Menschen glauben.«

Mit Risiken werden alle weiterhin leben müssen – sind diese zumeist auch längst nicht so dramatisch, wie viele befürchten. Ein gut lesbares, sehr empfehlenswertes Buch gerade angesichts aktueller Debatten rund um das Klima und die Klimaerwärmung.

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