»Wie funktioniert ein Vogel«: Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Ast?
»Wieso Vögel?« Das sind die ersten Worte im neuen Buch von Hans-Heiner Bergmann. Es klingt grundsätzlich und schnörkellos, und genau so möchte der Ornithologe informieren: Das Wesentliche, das es über Vögel zu wissen gibt, soll in handlichen Kapiteln präsentiert werden. Schade, dass der Auftakt sprachlich etwas ruppig beginnt. Bergmann referiert die berühmten vier Warum-Fragen des Ethologen und Nobelpreisträgers Nikolaas Tinbergen, die helfen sollen, Verhaltensweisen und Merkmale eines Lebewesens zu verstehen. Vogelbegeisterte, zu denen ich mich zähle, sollten sich von der wenig sinnlichen Sprache nicht abschrecken lassen – auf den folgenden 150 Seiten wird man dann doch belohnt. Wer das Buch nicht am Stück lesen möchte, kann es als kleines Nachschlagewerk nutzen. Etwa, wenn man sich beim Winterspaziergang fragt, warum Vögeln, die seelenruhig auf einer Eisfläche stehen, nicht die Füße erfrieren.
Der aktuelle Stand der Vogel-Forschung
Hans-Heiner Bergmann, Zoologe und Verhaltensforscher, der an den Universitäten Marburg und Osnabrück lehrte, befasst sich zeit seines Lebens mit Vögeln, forscht mit besonderem Interesse an Entenvögeln, gehört zu den Initiatoren der Projektgruppe Gänseökologie (anser.de) und hat schon viel Ornithologisches publiziert. Unter anderem 1987 »Die Biologie des Vogels: Eine exemplarische Einführung in Bau, Funktion und Lebensweise«, ein Vorläufer dieses Buchs, das er nun auf den neuen Stand der Forschung gebracht hat.
Wer noch nicht wusste, dass Vogelknochen kein Knochenmark enthalten, sondern belüftet werden, um das Fliegen zu erleichtern, warum schlafende Vögel nicht vom Ast fallen oder dass Graugänse am Handgelenk eine hornige Schlagwarze als Waffe haben, der wird mit diesem Buch schlauer. Doch auch »Birder« lassen sich solche Informationen gerne noch einmal im Zusammenhang schildern. Wer schon mal beobachtet hat, dass ein Weißstorch Darm und Blase auf die Beine entleert, und sich darüber wunderte, erfährt, dass der Vogel sich so gegen Hitze wehrt. Der wasserhaltige Kot verdunstet, kühlt seine Beine, und durch die weiße Harnsäure wird das Licht sogar noch reflektiert.
Schön sind auch die Beispiele, wie Vögel Pflanzensamen verbreiten, indem sie Eicheln, Bucheckern und andere Früchte als Vorrat verbuddeln. Bergmann erzählt von Eichelhähern in einer Gemeinde im Bayerischen Wald, wo vor 100 Jahren weit und breit nur zwei Edelkastanien standen. Heute sind es dank der Häher mehr als 200. Auch dass Vögel duften (für ihre Artgenossen) oder stinken (für menschliche Nasen), kommt im Kapitel über das Riechen gut zur Geltung. Vögel benützen ihr Parfum zur Orientierung und zur Kommunikation. So erkennen sich etwa Seevögel gegenseitig und ihren Brutplatz am Geruch, wenn sie nachts zu den Felshöhlen zurückkehren. Überhaupt können viele Vögel erstaunlich gut riechen: Kiwis erschnuppern Regenwürmer, die 15 Zentimeter tief in der Erde stecken, Störche können frisch gemähtes Gras kilometerweit wahrnehmen.
Gegen Ende des Buchs schließt sich Bergmann dem Ornithologen und emeritierten Max-Planck-Forscher Peter Berthold an, der alles dafür tut, den Vögeln jede noch so kleine Fläche an Natur zurückzuerobern. Berthold fordert von allen Gemeinden, ein Biotop anzulegen, und beweist, dass es funktioniert: Er legte etwa einen Weiher an, so dass Vögel zurückkehrten und sich vermehrten. Wer das Buch aus der Hand legt, kann kaum anders, als es den Vogelkundlern Bergmann, Berthold und Co gleichzutun. Er wird zumindest im Garten oder auf dem Balkon verblühte Sonnenblumen stehen lassen oder auf der Wiese auch mal ein Brennnesselfeld.
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