»Wie rationale Maschinen romantisch wurden«: Ist das kreativ oder kann das weg?
Können rationale Maschinen kreativ denken? Der Schriftsteller Philipp Schönthaler beschäftigt sich mit der spannenden Frage, ob menschliche Kreativität festen Regeln folgt, also das Produkt einer regelgeleiteten und rational operierenden Maschine ist. Wenn wir Kreativität als quantifizierbar und rational ansehen, könnte ja auch ein Computeralgorithmus kreative Werke schaffen und damit in eine der letzten Bastionen vordringen, in denen sich der Mensch den Maschinen aktuell noch überlegen fühlt. Aber ist unsere vermeintliche Sonderstellung vielleicht eine romantisierende Selbsttäuschung? Immerhin gelingt es Maschinen immer mehr, intelligent formulierte Texte zu generieren; und zwar auf eine Art, die weder stur, algorithmisch Regeln folgt, noch als beliebig, zufällig erscheint.
Schönthaler ist fasziniert von Gedanken wie diesen und sieht die Grenzen zwischen künstlicher und natürlicher Intelligenz verschwimmen. Doch übersieht er da nicht, dass für Menschen mit ihrer »sterblichen Datenverarbeitung«, wie der KI-Pionier und Nobelpreisträger Geoffrey Hinton das nennt, immer auch das Überleben auf dem Spiel steht? Aus dieser Not heraus müssen wir kreativ werden, um mit knapper Zeit, Speicher und Energie auszukommen. Schönthalers Argumente beziehen sich aber eher auf ältere Aspekte der Debatte, in der es weniger um den Prozess der Kreativität und mehr um ihre Hervorbringungen ging.
Etwas unfertig
Für die Produkte von künstlicher Kreativität sieht er eine fortschreitende Normalisierung innerhalb unserer Gesellschaft, getrieben durch den Fortschrittsglauben und die Durchdringung unserer Lebensrealität mit Technologie. Ob wir uns davon verzaubern oder einschüchtern lassen wollen, liege nun an uns selbst. Da sich Kunst oder Literatur aber kaum sinnvoll »messen« oder durch eine algorithmische Rationalität erschließen lassen, lässt einen diese Unentschiedenheit etwas ratlos zurück. Gleichzeitig entzieht Schönthalers Argumentation qualitativen Urteilen ihre Grundlage, wenn er feststellt, es komme auf unsere eigenen »kulturellen Zuschreibungen und Deutungsmuster« an. Ist das kreativ oder kann das weg – wer soll das noch entscheiden?
Leider gelingt es dem Autor letztlich nicht, auf seine interessanten Fragen tiefergehende, originelle und kreative Antworten zu finden. Auch wenn der Text intelligent formuliert ist und sicher viel Recherchearbeit in ihm steckt, verlaufen sich viele Gedankenstränge doch im Zirkulären und Unfertigen. Ironischerweise lässt sich gerade das auch bei vielen Produkten der generativen KI beobachten. Positiv ist, dass der Autor einen guten geschichtlichen Überblick zum Thema gibt; sein Buch erspart es einem aber nicht, sich selbst Originaltexte zu erschließen und eigene Schlüsse aus ihnen zu ziehen.
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