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Gaukler der Lüfte

175 000 Schmetterlingsarten sind bekannt. Dieses Buch vermittelt eine Ahnung davon, welch unterschiedliche Überlebensstrategien sie entwickelt haben.

Schmetterlinge, »Gaukler der Lüfte« – wer mag sie nicht? Seit etwa 200 Millionen Jahren gibt es sie, seit Jahrtausenden stehen sie als Symbol für die Wandlungen von Geist und Seele. Und doch bleibt ihr geheimes Leben den meisten Menschen verborgen. Der auf Schmetterlinge spezialisierte Künstler und Illustrator Johann Brandstetter widmet sich gemeinsam mit der Biologin Elke Zippel der Aufgabe, »den gesamten Mikrokosmos um den Schmetterling« auszuleuchten – in all seinen Facetten und in all seiner Schönheit. Dabei gelingt es ihm, die Leser mit Neugier und Begeisterung anzustecken.

Die Vielfalt an Schmetterlingen ist riesengroß, das Spektrum ihrer speziellen Bedürfnisse und Anpassungen ist überwältigend breit. Jede Art weist Besonderheiten auf, die ihr Überleben sichert – gleich ob tagaktive Tiere oder Nachtfalter, von denen es rund zehnmal so viele gibt wie von den ersteren. Viele sind auf bestimmte Nahrungsquellen spezialisiert oder haben spezifische Lebenszyklen und Metamorphosen entwickelt, bis hin zu ausgeklügelten Strategien der Feindabwehr, Tarnung und Täuschung. »Jede Schmetterlingsart kann nur im fein justierten Zusammenspiel unterschiedlicher Biofaktoren und nur unter der Voraussetzung, dass bestimmte, komplexe Parameter zusammenpassen, überleben. Das macht effektiven Schmetterlingsschutz zu einer komplexen und anspruchsvollen Aufgabe«, schreiben Brandstetter und Zippel.

Zweckentfremdetes Gift

Von den 175 000 bisher bekannten Schmetterlingsarten beschreiben die Autoren zirka 50 mit ihren markantesten Vertretern eingehend. Im Register listen sie mehr als 600 Falterarten und deren wichtigste Nahrungspflanzen auf. Detailreiche Illustrationen begleiten die Texte, grafisch abgehobene Einschübe zu Themen wie Wiederansiedlungsversuche, Schmetterlingsfarmen, Symbiosen und so weiter bieten ergänzende Informationen. Große Bildseiten mit Faksimile-Texten bringen eine künstlerische Note hinein.

Die Autoren erörtern Überlebensstrategien von Schmetterlingsarten in unterschiedlichen Lebensräumen, darunter Magerrasen, Feuchtwiesen, Hochgebirge, Auwald, Tundra und tropische Regenwälder. Die Leser erfahren von Besonderheiten wie dem Gestank der Schillerfalter oder der Abwehr von Fressfeinden durch körpereigene, giftige Blausäure-Verbindungen bei der Falterart Blutströpfchen (Zygaena filipendulae). Zahlreiche Pflanzenarten, etwa Passionsblumen, vermeiden es, gefressen zu werden, indem sie Giftstoffe produzieren, die wiederum darauf spezialisierte Raupen – unter anderem des Heliconienfalters – aufnehmen und zum Selbstschutz verwenden. Andere Schmetterlingsarten wie die aus der Familie der Ritterfalter (Papilionidae) nutzen Warntrachten und Mimikry(Täuschungs)-Strategien, um sich ohne eigene Giftstoffe zu schützen.

Der umfangreichste Abschnitt des Buchs, »Die Vielfalt der Schmetterlinge«, vermittelt Wissen zu einzelnen Familien mit deren Lebensweisen, Lebensbedingungen, morphologischen und biologischen Anpassungen. So leben bei den Wurzel- und Holzbohrern die Raupen in Symbiose mit Bakterien und Pilzen. Die Raupen der Seerosenzünsler (Elophila nymphaeata) wiederum überdauern unter Wasser; die Glasflügler (Sesiidae) »geben vor«, Hornissen zu sein; die Weibchen der Echten Sackträger (Psychidae) besitzen keine Flügel; die Wanderfalter überwinden riesige Distanzen.

Zudem behandeln Brandstetter und Zippel die Grundlagen der zoologischen Systematik mit ihrem »babylonischen Namenswirrwarr«. Nicht nur regional übliche Bezeichnungen, sondern auch wissenschaftliche Namen unterliegen, bedingt durch neue Untersuchungsmethoden, einem starken Wandel. Ein weiteres Thema ist das dramatische Artensterben bei den Schmetterlingen durch Vernichtung von Lebensräumen, Lichtverschmutzung, Mangelbeweidung, Trockenlegung von Feuchtwiesen, Pestizideinsatz et cetera. In diesem Zusammenhang weisen die Autoren auf die positive Rolle von Schmetterlingen als Bestäuber und Seide-Lieferanten hin sowie auf die Bedeutung der Raupen als Nahrungsquelle für Vögel, Fledermäuse, Geckos und Eidechsen sowie Wirbellose wie Fangschrecken und Schlupfwespen. Schmetterlingsfarmen und Wiederansiedlungsversuche unterstützen die Arterhaltung, genügen allein jedoch nicht, wie aus dem Werk hervorgeht.

»Wie Schmetterlinge leben« bietet umfassende und ästhetisch schön aufbereitete Informationen zur Systematik, Biologie und Morphologie, zu den Ansprüchen, Symbiosen, Lebensbedingungen und Schutzmaßnahmen der Schmetterlingskunde. Die Leidenschaft der Autoren fürs Thema ist spürbar. Dem Buch gelingt der Spagat, auf fachlich hohem Niveau spannend zu informieren und dabei Laien nicht zu überfordern.

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