Den Klimawandel aufhalten
Bill Gates legt ein Buch vor, das mit einigem Anspruch und gesundem Selbstbewusstsein antritt. Nach eigenem Bekunden schlägt der Autor eine zukunftsweisende Strategie vor, um eine Klimakatastrophe zu verhindern und »die ganze Welt dazu zu ermutigen, effektive Pläne für den Umgang mit dem Klimawandel zu verabschieden«. Das zeugt von einiger Chuzpe, bedenkt man, dass sich ganze Heerscharen von Forschern dem Thema verschrieben haben, es ohne Zweifel in der Politik angekommen ist und verschiedenste Player seit Jahrzehnten nach Möglichkeiten suchen, der immer drängenderen Problematik Herr zu werden.
Fehlendes Aha-Erlebnis
Man erwartet also einiges, wenn man das Buch aufschlägt – ein wirkliches Aha-Erlebnis bleibt aber leider aus. Das Werk entpuppt sich eher als eine allgemein verständliche Zusammenfassung des aktuellen Wissensstands und der bekannten politischen Diskussionen, als dass man darin eine bisher übersehene »zukunftsweisende Strategie« finden würde.
Gates legt den Fokus auf die aus der Modellierung von Klimaszenarien ableitbare Notwendigkeit, die menschengemachten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Nach einer kurzen Erläuterung der wissenschaftlichen Hintergründe des anthropogen verursachten Klimawandels bilden fünf Kapitel den Kern des Werks, in denen der Autor die Hauptquellen des menschlichen Treibhausgasaustauschs beschreibt und für Ansätze plädiert, sie an den jeweiligen Stellen zu reduzieren. Die Zusammenstellung ist sicherlich richtig, geht jedoch kaum über das hinaus, was den meisten Lesern bereits bekannt sein dürfte oder in den Berichten des IPCC veröffentlicht ist.
Gates beschreibt die klimaschädliche Produktion von Strom aus Kohle, erläutert Schwierigkeiten bei der nicht stetigen Verfügbarkeit von Energie aus Sonne und Wind, plädiert für die Nutzung von mehr Kernenergie und beschreibt die Problematik der Elektrizitätsspeicherung. In einem anderen Kapitel erklärt er, welche enormen Mengen Kohlendioxid durch die industrielle Produktion entstehen, etwa bei der Herstellung von Beton. Es ist zwar durchaus erschreckend zu lesen, dass China zwischen 2001 und 2016 sechsmal mehr Zement produziert hat als die USA im gesamten 20. Jahrhundert. Aber die Beschreibung denkbarer Lösungsansätze bleibt an der Oberfläche. Man würde gerne über innovative Recyclingideen, Ersatzstoffe oder energieärmere Herstellungswege lesen, solche finden jedoch keine Erwähnung.
Zudem könnte Gates an manchen Stellen den Lesern mehr zumuten. Wenn er zum Beispiel auf die Klimagasemissionen aus Landwirtschaft und Viehhaltung sowie auf Düngemitteleinsatz zu sprechen kommt und das Haber-Bosch-Verfahren als die »wichtigste Erfindung, von der die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben« bezeichnet, kommt man doch etwas ins Stolpern. Zumindest den Lesern, die ein Buch dieser thematischen Ausrichtung in die Hand nehmen, wird das Verfahren vermutlich bekannt sein.
Grundsätzlich zielen Gates Ansätze in Richtung technologischer Lösungen (Elektrifizierung, CO2-Abscheidung, Energiespeicher), die es aus seiner Sicht günstiger und konkurrenzfähiger zu machen gilt. Das ist vor dem beruflichen Hintergrund des Microsoft-Gründers nachvollziehbar. Jedoch sind seine Ideen weder als neu noch als weiter gehende Strategie zu sehen. Zum Beispiel gibt es vielen Ländern bereits die vorgeschlagene CO2-Bepreisung, staatliche Starthilfen für neue Technologien oder Innovationsanreize und Finanzierungen von Forschung und Entwicklung – auch wenn es wünschenswert wäre, diese noch auszubauen.
Aus der ohnehin recht stark auf die USA fixierten Perspektive des Buchs schreibt Gates: »Der Kongress muss für die Finanzierung von Forschung und Entwicklung, staatliche Beschaffung und Infrastrukturentwicklung sorgen, und er muss finanzielle Anreize für ökologisches Handeln und ökologische Produkte schaffen, anpassen und ausdehnen.« Wer sollte dem widersprechen? Es bleibt allerdings zu hoffen, dies geschehe ohnehin und bedürfe nicht erst der Aufforderung durch Bill Gates.
Dass der Autor mit einigen der erhofften Innovationen auch finanzielle Interessen verbindet, legt er offen. Dies erscheint jedoch nur ein Randaspekt für seine Motivation zu sein, das Buch zu schreiben. Seinen Weltverbesserungsanspruch nimmt man ihm durchaus ab, er kommt aber etwas schlicht daher.
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