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Ein Platz für Wildtiere

»Wildtiermanagement« soll das Überleben von Wolf, Rothirsch & Co. in der Kulturlandschaft sichern. Dieses Buch zeigt, was dahinter steckt.

Sven Herzog arbeitet als Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden. In diesem Buch stellt er das Fachgebiet »Wildtiermanagement« vor und umreißt die vielen Disziplinen, die damit zu tun haben. Dazu zählen Wildbiologie und Wildökologie, Jagd- und Fischereiwirtschaft, Landschaftsökologie, Arten-, Tier- und Naturschutz, aber auch Tier- und Humanmedizin, Soziologie, Betriebswirtschaft, Tourismus und andere. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in Lehre, Forschung und Beratung benennt der Autor zahlreiche Missstände, die eine gute fachliche Umsetzung des Wildtiermanagements behindern. Er liefert aber auch Lösungsvorschläge und ermutigt die Beteiligten dazu, konstruktive Debatten miteinander zu führen.

Herzog betont, dass den meisten Wild-Mensch-Konflikten in Wirklichkeit Mensch-Mensch-Konflikte zu Grunde liegen. Deshalb stehe beim Wildtiermanagement immer auch der Mensch mit seinen Interessen und Ängsten im Fokus. Dies verdeutlicht das erste Buchkapitel, das Wildtiere in ihren Rollen vorgestellt, die sie in Bezug auf den Menschen einnehmen – etwa als Angreifer oder Konkurrent, Haustier oder bedrohtes Wesen. Der Autor schreibt beispielsweise, sobald Wildtiere wirtschaftliche Schäden verursachten, erginge fast reflexartig der Ruf danach, die Bestände durch Bejagen zu reduzieren. Dabei bestehe erstens nicht unbedingt ein direkter Zusammenhang zwischen Bestandsgröße und erzeugtem Schaden, zweitens gebe es noch viel mehr Handlungsoptionen – beispielsweise, die Tiere geschickt von zu schützenden (Agrar-)Flächen oder Verkehrswegen fernzuhalten. Hierfür bedürfe es allerdings durchdachter und fachlich sinnvoller Managementkonzepte, denen jedoch nur zu oft Verbandsinteressen oder veraltete Rechtsnormen im Weg stünden. Wildtiermanagement allein könne zudem die fatalen Folgen einer verfehlten Agrar- und Subventionspolitik nicht ausgleichen, die unter anderem zu massiver Schrumpfung und Zerstückelung von Lebensräumen zahlreicher Arten geführt habe.

Die Population als relevante Größe

Wildtiermanagement sei nur schwer von Jagd abgrenzbar, erläutert Herzog weiter. Jagdrecht und Naturschutzrecht entsprängen denselben Wurzeln, und Inhaber des Jagdrechts trügen Verantwortung für jene Spezies, für die sie das Nutzungsrecht haben. Es gälten hohe Nachhaltigkeitsstandards für die Jagd; dementsprechend seien in Deutschland auch noch keine Arten ausgestorben, die dem Jagdrecht unterliegen. Wildtiermanagement gehe weit über das konsumtive Interesse der Jagdwirtschaft hinaus, nutze diese aber als wichtiges Werkzeug. Leider gebe es zurzeit unter dem Vorwand der Bestandsregulation gewisse Tendenzen, die Nachhaltigkeitskriterien auszuhebeln, etwa auf quantitative und qualitative Beschränkungen der Bejagung zu verzichten oder tierethisch fragwürdige Jagdmethoden einzusetzen.

Der Autor kritisiert, das Konzept des Artenschutzes stütze sich oftmals noch auf ein unzureichend definiertes Artkonzept. Evolutionsbiologen sähen schon seit Jahrzehnten die Population als evolutionär relevante Einheit an. Auf Populationsebene ließe sich ein drohendes Aussterben früher erkennen, also nicht erst in seinem Endstadium, wenn eine Art lokal schon fast ausgefallen sei. Entsprechend frühzeitig könnten Management-Maßnahmen zur Erhaltung eingeleitet werden. In die Verordnungen und Gesetze rund um den Arten- und Naturschutz habe diese wissenschaftliche Einsicht leider noch kaum Eingang gefunden.

Im Naturschutz, fährt Herzog fort, fehle es oft an deutlich formulierten Zielvorstellungen, was zwangsläufig Zielkonflikte herbeiführe. Ein Beispiel hierfür seien Schutzgebiete, in denen touristische Interessen mit der Bewahrung natürlicher Prozesse kollidierten. Auch würde das Verbot, Schutzgebiete zu betreten, nicht konsequent genug durchgesetzt. Allenthalben mangele es an Ruhezonen für das Wild. Zudem werde regelmäßig versäumt, betroffene gesellschaftliche Gruppen am Wildtiermanagement teilhaben zu lassen. Dies mindere die öffentliche Akzeptanz beschlossener Maßnahmen beträchtlich. Um zu unterstreichen, wie wichtig es ist, auf einen tragfähigen Konsens mit allen Betroffenen hinzuwirken, stellt der Autor verschiedene Moderations- und Mediationstechniken in einem gesonderten Kapitel vor. Er appelliert an alle im Wildtiermanagement Engagierten, sich damit zu befassen.

Der überraschend persönliche Duktus verleiht der berechtigten Kritik des Autors einerseits Dringlichkeit, wirkt andererseits aber auch besänftigend und um Verständnis werbend. Weiterhin macht er das gut lesbare Buch zu einer kurzweiligen Lektüre. Dazu tragen auch die übersichtliche Gliederung und zahlreiche aussagekräftige Fotos und Grafiken bei. Als Einstieg in das komplexe Thema ist der kompakte Band allen Interessierten zu empfehlen, insbesondere Menschen mit Verantwortung im Arten-, Tier- und Naturschutz.

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