»Wir können auch anders«: Aufruf zum Handeln
Krisen, Krieg und Katastrophen erschüttern zunehmend unsere Welt. Während der Regenwald in Brasilien brennt, das Plastik in den Weltmeeren treibt und die Kühe im Schlachthaus verenden, kommt das Klimachaos mit immer größerer Wucht und Geschwindigkeit auf uns zu. Trotzdem fällt es schwer, unser Verhalten zu ändern – obwohl immer deutlicher wird: Wir können nicht so weitermachen wie bisher.
»Wir sind Gefangene eines Systems, von dem wir uns Freiheit versprochen haben und aus dem wir jetzt den Ausgang nicht mehr finden«, schreibt die Politökonomin Maja Göpel. Die gefragte Rednerin landete vor zwei Jahren mit ihrem ersten Buch (»Unsere Welt neu denken«) einen Bestseller. Es ging darum, Alternativen für ein nachhaltigeres Leben zu entwickeln. Das aktuelle Werk beschäftigt sich mit der Frage, wie wir es schaffen, nötige Veränderungen anzukurbeln.
Es genüge nämlich nicht, die Welt neu zu denken. Vielmehr komme es darauf an, uns auf den Weg zu machen. An Visionen für den Aufbruch in die Welt von morgen mangle es dabei nicht. Was fehlt, sei die Überzeugung, dass wir diese Ideen umsetzen können. Auch fehle der Mut, an den Strukturen unseres Systems zu drehen, und das Vertrauen, die ersten Schritte zu wagen.
Ganzheitlich denken
Zuerst sollten wir jedoch begreifen, dass unsere Wirklichkeit aus komplexen Systemen besteht, die in sich, aber auch untereinander vernetzt sind. Daher nütze es nichts, einfach nur einzelne Teile auszutauschen. Um nachhaltige Veränderungen zu erreichen, müssten wir Zusammenhänge verstehen und das System als Ganzes sehen. Sonst bekämpften wir nur Symptome.
Oft sei uns leider nicht bewusst, was das eigentliche Problem ist, das den Symptomen zu Grunde liegt – so auch in der Verkehrswende: Es genüge nicht, den Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen. Veränderungen müssten viel tiefer reichen. Sie müssten soziale, ökologische und ökonomische Ziele in Einklang bringen. »Die Transformation ist im Kern ein kulturelles Projekt«, meint die Autorin.
Jeder Einzelne zählt
Die Mitbegründerin von »Scientists for Future« erklärt, dass es ähnlich wie bei der Klimaentwicklung auch in einem gesellschaftlichen System so genannte Kipppunkte gibt. Die markieren den Moment, ab dem sich die Abläufe in einem System fundamental ändern. Doch was man für ökologische Systeme unbedingt vermeiden sollte, kann in gesellschaftlichen Strukturen einen Wandel beschleunigen.
Ein richtiger Schritt im richtigen Moment könne daher schnell eine massive Wirkung erzielen. Das geschah etwa 2019, als Greta Thunberg in New York auf einer Umweltkonferenz der Vereinten Nationen ihre Wutrede hielt und vier Millionen Menschen weltweit für mehr Klimaschutz demonstrierten. Demnach sei jeder Schritt über die Zeit betrachtet eine Veränderung. Genau darein setzt die Transformationsforscherin ihre Hoffnung.
Wir schaffen das!
»Eine große Transformation zu einer besseren Welt für alle ist das größte Abenteuer der Menschheit«, schreibt Göpel. Sie werde aus vielen kleinen Schritten bestehen. Doch ohne eine klare Orientierung und die unermüdliche Begeisterung für das Mögliche werde sie nicht gelingen.
Die Autorin zumindest bringt den nötigen Enthusiasmus dafür mit. Für weniger Begeisterung sorgt dagegen der etwas holprige Lesefluss. Göpel untermauert viele ihrer Argumente mit Zitaten großer Denker. Das macht das Buch zwar zu einem interessanten Fundus großartiger Ideen und Forschungsergebnisse. Dadurch fällt es aber teilweise schwer, der Stimme der Autorin zu folgen.
Zudem machen sperrige Fachbegriffe und gehäufte Substantivierungen das Lesen stellenweise nicht unbedingt zu einem Vergnügen. Im Kontrast dazu stehen die leicht lesbaren Anekdoten am Anfang der Kapitel. Bei einigen davon fragt man sich allerdings, inwieweit sie dem Zweck der Illustration des jeweiligen Themas dienen – zum Beispiel wenn es um den Romanesco geht, dessen Fraktale die Dynamik in gesellschaftlichen Systemen veranschaulichen sollen.
Nichtsdestotrotz ist das Buch ein wichtiger Beitrag in der Diskussion um den bevorstehenden Wandel unserer Gesellschaft. Bleibt nur zu hoffen, dass uns die »große Transformation« gelingt, bevor die Natur uns gewaltsam dazu zwingt. »Wir müssen ein paar Dinge anders machen«, konstatiert Maja Göpel. »Wir können das aber auch.« Ob wir das wirklich können oder ob das naive Hoffnung bleibt, wird die Zukunft zeigen.
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