Sie liebt mich, sie liebt mich nicht. Zufallsprozesse in biologischen Systemen
Stochastische Prozesse bilden den Schlüssel zum Verständnis vieler biologischer Phänomene — von der zellulären Ebene bis zu den Eigenschaften ganzer Populationen. Daher ist es bedauerlich, dass einführende Statistikbücher mit einem biologisch-medizinischen Schwerpunkt sich im Allgemeinen auf deskriptive Statistik und Test-Statistik beschränken. Mark Denny und Steven Gaines stoßen mit „Chance in Biology“ in diese Lücke. Sie führen in die Prinzipien von Zufallsprozessen ein und geben einen Überblick über die grundlegenden mathematischen Methoden der Beschreibung nicht-deterministischer biologischer Systeme. Zu jedem Kapitel gibt es Aufgaben mit Musterlösungen, die den Motivierten den Einstieg erleichtern. Die beiden Autoren wenden den statistischen Ansatz auf eine Vielzahl biologischer Erscheinungen an: Beispiele sind die Funktionsweise elastischer Materialien — etwa bei der Energiespeicherung im Insektenflügel —, durch Rauschen hervorgerufene Beschränkungen der Wahrnehmung, aber auch die Verbesserung der neuronalen Informationsverarbeitung durch stochastische Resonanz, die genetische Drift und ihre Bedeutung für kleine Populationen bis hin zur Häufigkeit von 0.400-Hitters in den amerikanischen Baseball-Ligen. Das Buch vermittelt dem Leser ein Gefühl für die Bedeutung und Eleganz statistischer Verfahren beim Verständnis biologischer Prozesse. „Chance in Biology“ kann jedoch nicht mehr als ein erster Einstieg in ein mathematisch anspruchsvolles Thema sein. Um das Buch auch für Leser mit durchschnittlichen mathematischen Kenntnissen verständlich zu machen, musste an einigen Stellen die Vollständigkeit und Sauberkeit der Herleitungen leiden. Nicht selten wird auf weiterführende Literatur verwiesen, wenn entscheidende Punkte einer Argumentationskette belegt werden sollen. Wer selbstständig Verfahren der Stochastik auf neue Probleme anwenden will, muss auch in Zukunft einigen Fleiß in das Studium eines der bewährten Lehrbücher — z.B. aus der Physik — und von Primärliteratur stecken.
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