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Harte Nüsse

"Was kann man tun, wenn man eigentlich nichts tun kann, weil der Jugendliche nichts tun will?" Gründe, warum psychisch auffällige Heranwachsende eine Therapie ablehnen, gibt es viele. Sie wollen keine Hilfe, sie sind misstrauisch, sie haben Angst, sie schämen sich oder wollen ihren Eltern den Aufwand ersparen. Und wenn sie sich doch von ihren besorgten Angehörigen mitschleppen lassen, sitzen sie oft schweigend da. Wie man diese harten Nüsse trotzdem knackt, will uns Jürg Liechti vermitteln.

Der Humanmediziner und Systemtherapeut orientiert sich dabei am Konzept des "konsultativen Einbezugs". Dahinter steht zunächst einmal die Überzeugung, dass Therapiemotivation nicht nur vom jugendlichen Klienten bestimmt wird, sondern auch vom familiären Kontext, und somit beeinflussbar ist. Im Kern geht es darum, dem Jugendlichen einen Rahmen zu bieten, der eine Zusammenarbeit ohne Gesichtsverlust erlaubt. In mehreren Schritten wird die widersprüchliche Startsituation – Eltern suchen Hilfe, Jugendliche weigern sich – auf eine gemeinsame Grundlage gebracht.

Wichtig ist dabei, zuerst die Perspektiven aller Beteiligten zu akzeptieren und sie anschließend "neu zu rahmen", indem sie um weitere Aspekte bereichert werden. So kann sich beispielsweise eine Mutter selbst eingestehen, dass auch sie Hilfe braucht, anstatt sich nur über ihren kiffenden Sohn zu beklagen.

Der Therapeut zieht den Sohn, der bisher nur als Problemfall gesehen wurde, als Experten heran und bindet ihn ein: "Vielleicht könntest du mir helfen, deine Mutter besser zu verstehen?" Unter diesem neuen Blickwinkel entwickelt sich eine gemeinsame Basis zur weiteren Zusammenarbeit.

Ein wichtiges Thema, ein viel versprechender Ansatz. Doch so groß das Interesse beim Leser auch sein mag: Die Freude an der Lektüre bleibt aus. Das Buch wirkt trotz des fünfseitigen Inhaltsverzeichnisses und einer Aufteilung in neun Kapitel unstrukturiert. Immer wieder schleicht Liechti um das eigentliche Thema "Therapiemotivation" herum wie die Katze um den heißen Brei – und driftet dann doch wieder ab. So mag ein eigenes Kapitel über Pubertät seinen Sinn haben – jedoch nur, wenn die Leser dabei etwas Neues erfahren.

Die wissenschaftlichen Erklärungen kommen allerdings meist nicht über das Niveau eines Psychologiegrundstudiums hinaus. Den therapeutisch arbeitenden Lesern, an die sich Liechti unter anderem richtet, werden diese psychologischen Grundlagen sicherlich größtenteils bekannt sein.

Verstrickt in Nebensächliches
Innerhalb der Kapitel springt der Autor zwischen Theorie und spannenden Fallbeispielen hin und her. Oft gelingt die Verknüpfung jedoch nicht so recht, da Liechti sich immer wieder in Nebensächlichkeiten und Exkurse verstrickt. Mehrzeilige, verschachtelte und umständlich formulierte Sätze sind bei ihm außerdem keine Seltenheit. Und nicht zuletzt fällt es schwer, über die wiederholte Werbung für das Berner Zentrum für Systemische Therapie und Beratung hinwegzulesen.

Ein Lichtblick ist das siebte Kapitel. Hier erhalten die Leser wertvolle Einsichten in das Handwerkszeug der systemischen Therapie – mehr davon hätte dem Buch gutgetan.
  • Quellen
Gehirn und Geist 9/2009

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