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Stressmanagement gegen Heißhunger

Auf den verkaufsfördernden Effekt von neuen Diätversprechen kann man sich verlassen. Ähnliches gilt derzeit für Buchtitel, die dem Wort "Gehirn" ein beliebiges Adjektiv voranstellen. Der Lübecker Medizinprofessor Achim Peters hat in diesem Buch beides kombiniert – Anlass genug, der Lektüre misstrauisch zu begegnen.

Doch der Adipositasforscher beäugt die Diskussion um richtige und falsche Methoden der Gewichtsabnahme selbst mit gehöriger Skepsis. "Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft" – diese Frage klärt Peters auf knapp 300 Seiten und rückt dabei einen entscheidenden Akteur in den Fokus: das Gehirn. Denn bei der körperinternen Verteilung von Glukose stelle das Oberstübchen die Weichen und sichere sich selbst den Löwenanteil.

Den Grundstein zu Peters’ "Selfish- Brain-Theorie" legte 1917 die Pathologin Marie Krieger, nachdem sie den körperlichen Verfall von Hungertoten erforscht hatte. Ihre Beobachtung: Selbst wenn die Verstorbenen 45 Prozent ihres Körpergewichts verloren hatten, war ihre Hirnmasse nahezu gleich geblieben. Heute wissen Forscher, dass der Brain-Pull, das Energieziehen aus dem eigenen Körper, ins Stocken geraten kann, wenn unser Stresssystem überlastet ist. "Zehn Minuten psychosozialer Stress verbrauchen mehr Energie, als in eineinhalb Brötchen steckt", wie Peters konstatiert. Wenn Stress zum Dauerzustand wird, fordere das Gehirn deshalb mehr Nahrung, als der Körper insgesamt eigentlich benötigt.

Für den Leser bedeuten diese Exkurse erst einmal eine anspruchsvolle Lektion in Biochemie. Damit legt der Autor das wissenschaftliche Fundament für die praktischen Schlussfolgerungen aus den Forschungsergebnissen. Peters wollte offenbar nicht nur Rat geben, sondern vor allem aufklären – und das ist ihm gelungen. Seine Einführung in die Biochemie verpackt er in elegante Sprache und amüsante Metaphern. Warum manche Menschen trotz Übergewicht Heißhungerattacken haben und weshalb man unter Stress zu- oder auch abnehmen kann, wird nachvollziehbar, wenn Peters das Stresssystem als Heizungsanlage schildert, das Gehirn als Museumswärter oder den Menschen als Pantoffeltierchen. Sein Fazit: "Wer von chronischem Stress stark belastet ist, wird über kurz oder lang depressiv oder dick."

Und genau da, findet Peters, liege das Problem von Diäten. Weniger Essen könne zwar helfen, Symptome zu beseitigen. An den Ursachen des Übergewichts ändere das aber nichts. Ziel müsse daher immer die Stabilisierung des körpereigenen Stresssystems sein. Dafür schlägt der Autor Methoden vor, die an den Ursachen, nicht an den Symptomen negativer Emotionen ansetzen – zum Beispiel Müdigkeit nicht mit Kaffee wegzuspülen, sondern sich ein Nickerchen zu gestatten.

Dass auf die harten Fakten letztlich so "weiche" Maßnahmen folgen, tut dem Leser gut. Die Folgen der komplizierten biochemischen Vorgänge im Gehirn sind verblüffend einfach: Die Ursachen von Übergewicht muss man an ihren Wurzeln packen.
  • Quellen
Gehirn&Geist 7/2011

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