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Brückenschlag zwischen Urknall und Schöpfungsglaube

Schon der Prolog zum Buch macht neugierig darauf, was Arnold Benz gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn als Professor für Astrophysik in Zürich zum Thema Naturwissenschaft und Schöpfungsglaube zu sagen hat.

Prägend für seinen Entschluss, Astronom zu werden, war die Reise dreier Freunde (Gymnasiasten, ein Jahr vor dem Abitur) in die Sahara. Unter dem Eindruck des fremdartigen, aber überwältigenden Sternhimmels drängten sich den drei jungen Menschen Fragen nach dem Sinn unseres Daseins auf, nach dem Verhältnis der geistigen zur materiellen Welt. Der Drang, Antworten auf diese Fragen zu suchen, führte letztlich zur Berufswahl des Autors: Er widmete sich nach seinem Studium der Entstehung und der Entwicklung von Sternen und Planeten – und besonders auch der Physik der Sonne.

So ist der erste von drei Teilen des Buchs auch dem "Werden und Staunen" vorbehalten, nämlich vom "Stoff, aus dem wir bestehen", aus frühen Vorstellungen über die Entstehung von Sternen – von Newtons Weltbild über Leibniz – bis hin zu den modernen Erkenntnissen über Sternentstehung in Molekülwolken.

Neben vielen Erkenntnissen der modernen Physik und Astrophysik, etwa dem Phänomen der Schwarzen Löcher, klingen im ersten Teil bereits philosophische Gedanken an, die sich wesentlich um die Zeit drehen, für die der Urknall wie ein Ereignishorizont ist, "eine Grenze, hinter die wir mit großer Wahrscheinlichkeit nie werden blicken können" (so der US-Physiker Richard Feynman).

"Schöpfung", meint Benz, wird heute als "Synonym für die von Menschen unberührte Natur verwendet, wird wie Schönheit auf einer anderen Ebene als der naturwissenschaftlichen erfahren". Auch wenn diese These wie ein vorweggenommenes Fazit des Buchs erscheinen mag – sie leitet nur zum zweiten Teil über, der sich mit Begriffen wie "Vergehen" und "Erschrecken" auseinandersetzt.

Ausgehend von der jungen Sonne und ihrer Entwicklungsgeschichte (hier ist der Autor zu Hause!) und dem gegenwärtig einzigartigen, lebensfreundlichen Ort der Erde im Sonnensystem, entwickelt Arnold Benz das zukünftige Untergangsszenario – untrennbar gekoppelt an das Schicksal der Sonne: In rund 7,8 Milliarden Jahren wird das Planetensystem nicht mehr existieren. Der Zerfall hat zwingenden Charakter, denn alles, was entsteht, wird vergehen.

Entkoppelt von messbaren physikalischen Parametern sind die menschlichen Erfahrungen der Wirklichkeit – denn auch sie sind ein Teil des Universums.

Missverständnisse im Disput von Naturwissenschaften einerseits, und Kunst und Theologie andererseits, sind auf verschiedene Wahrnehmungsebenen in Sprache und Methode zurückzuführen. Deshalb sucht man in naturwissenschaftlichen Ergebnissen vergeblich nach einem Gottesbeweis oder seinem Schöpfungsplan. Insofern sind Urknall und Schöpfung nur Antworten auf unterschiedliche Fragen: Denn wer nach den physischen Prozessen am Anfang der Welt fragt, wird bei den Urknalltheorien landen. Wer andererseits an die Schöpfung glaubt, fragt nach dem Sinn des Lebens im großen Ganzen der Welt...

Die Deutung der Schöpfung, das Thema des dritten Teils, empfindet Benz als "Letztbegründung im Willen des Schöpfers" und erhält dadurch einen Sinn. Denn nur dann erscheint die Natur als Schöpfung, wenn sie "als Geschenk wahrgenommen wird, die das ganze Universum in der Vergangenheit wie in der Zukunft einschließt. Die Welt als Schöpfung zu deuten, heißt, sich daran zu erfreuen, dass uns die lebensnotwendigen Dinge von gütiger Hand geschenkt werden..."

Im Epilog resümiert der Autor seine Gedanken. Sein Credo: "Ich bin je länger je mehr überwältigt von der simplen Tatsache, dass ich mitten in diesem riesigen, kalten Weltall in einer blühenden Oase meiner selbst bewusst werde..."

Ich muss gestehen, dass ich nicht ohne Vorbehalt (Titel!) mit dem Lesen des Buchs begonnen habe. Aber am Ende war mir bewusst, dass ich ein ungewöhnliches Buch gelesen hatte. Ungewöhnlich in vielerlei Hinsicht: Denn bei aller wissenschaftlichen Genauigkeit hat der Autor behutsam auf die transzendenten Aspekte zwischen Natur und menschlichem Erleben hingeführt, und letztlich einen Brückenschlag zu den exakten Naturwissenschaften aufgezeigt – im Grunde zwischen Urknall und Schöpfungsglaube.

Für potenzielle Leser – ich hoffe, es werden viele sein – ist anzumerken, dass der Text sehr klar und leserfreundlich gestaltet ist. Er enthält drei Teile zu je vier Kapiteln und insgesamt 50 Abschnitte. Die 18 Schwarz-Weiß-Abbildungen sind sinnvoll ausgewählt und unterstützen den Textteil optimal. Umfangreiche Erläuterungen im Anhang ermöglichen weiterführende Studien. Ein Namen- und Sachverzeichnis ist eigentlich schon selbstverständlich.

Sicher werden viele Menschen an den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Forschung zweifeln, gerade weil sie in Konflikt zu überlieferten Glaubensvorstellungen kommen – ihnen allen sei dieses kleine Buch als Hilfe von Herzen empfohlen...
  • Quellen
Sterne und Weltraum 10/2010

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